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Inklusion - Zusammenhalt statt Mitleid

von Christine Klimaschka

Vorweihnachtszeit. Am Sonntag brennt die zweite Kerze am Adventskranz, in Kürze kommt der Hl. Nikolaus. Vielleicht bist du gerade dabei, über Weihnachtsgeschenke nachzudenken? Was viele nicht wissen, ist allerdings, dass der 3. Dezember der Internationale Tag der Menschen mit Behinderung ist. Ein Grund für uns, gerade in der besinnlichen Zeit des Jahres darüber nachzudenken, wie wir positiv mit unseren Mitmenschen umgehen sollten.

Umarmung Zusammenhalt Mann und Frau | myGiulia

Wenn es etwas gibt, das in Österreich für viele Menschen die Vorweihnachtszeit einläutet und uns daran erinnert, was Zusammenhalt bedeutet, dann ist es die Aktion „Licht ins Dunkel“. Die Aktion „Licht ins Dunkel“, mit der Behinderten- und Sozialhilfeprojekte gefördert, sowie Familien mit Kindern in Not durch einen Soforthilfefonds unterstützt werden, gibt es seit 1973, insgesamt wurden seither mehr als 330 Millionen Euro gesammelt. Doroteja Gradištanac ist seit 2019 Redaktionsleiterin für „Licht ins Dunkel“und steuert damit ein sehr wichtiges gesellschaftlich Projekt. Wir wollten von ihr wissen, was Inklusion für sie heißt, wie sie an das Projekt "Licht ins Dunkel" herangegangen ist und was sie sich heuer selbst zu Weihnachten wünscht.


Wie mixt man nach 47 Jahren so ein Erfolgsrezept neu?

„Licht ins Dunkel“ hat einen Markenbekanntheitsgrad von 99% in Österreich. Ich habe mich gefragt, was löst denn dieses Projekt in mir aus. Es ist Weihnachten. Man ist damit aufgewachsen. Es gibt am 24.12. diese Danke-Banner, die im TV zu sehen sind. Für mich war das der Inbegriff des Heiligen Abends als kleines Kind in Oberösterreich. Beim Neugestalten und Stärken der Marke ging es darum, dies dann einmal aus der Subjektivität zu holen und man hat festgestellt, dass das sehr vielen Leuten so ging, nämlich: Es ist nicht Weihnachten ohne „Licht ins Dunkel“. Punkt.

Stärken stärken war dann der erste Zugang und die Lösung der Frage: Wie kann man das Projekt wieder mehr ins Heute bringen und verhindern, dass die auf dem Kopf stehende Alterspyramide des Publikums dazu führt, dass die Marke erodiert und die jüngeren SpenderInnenschichten nicht mehr erreicht. Da gibt es auch den Brückenpfeiler, den der Radiosender Ö3 ganz deutlich schlägt mit dem Weihnachtswunder.

Und mit Barbara Stöckl und Peter Resetarits haben wir nun auch zwei Botschafter, das heißt wir haben diese Position mit Journalisten besetzt, die die allerhöchste Kredibilität haben, sowohl sozial als auch investigativ. Was die beiden auch auszeichnet ist, dass sie immer auf der Seite der Menschen sind, um die es ja geht.


Wie bist du an das Thema Behinderung herangegangen?

Wir haben mit unserem Berater Dr. Franz Joseph Huainigg Workshops quer durch das gesamte Team abgehalten, weil es eine bestimmte Tonalität, eine Sensibilität für die Sprache braucht, erstens immer, aber besonders, wenn du über Projekte für Menschen mit Behinderung berichtest. Und wenn du Dich mit der Community - in dem Fall in Form von Franz Joseph Huainigg - auseinandersetzt, dann hat sie sehr konkrete Vorstellungen, was sie brauchen und was nicht.

Er, selbst seit seinem 1.Lebensjahr mit einer Behinderung aufgewachsen, sagte in so einem Workshop zum Beispiel: „Menschen sind nicht behindert, sondern sie haben eine Behinderung. Nachsatz: Allenfalls werden sie behindert.“ Man muß der Marginalisierung aktiv entgegenwirken bei so einem TV-Projekt, denn es kann nicht sein, dass die einen ohne Behinderung über die anderen mit Behinderung reden. Huainigg sagte oft in der Diskussion: Nicht ohne uns über uns. Denn es hat leider Jahre lang Sendungen gegeben, da haben alle über die „armen Behinderten“ geredet, aber kein einziger Mensch mit Behinderung war dabei. Wenn wir in unseren Sendungen Menschen mit Behinderung ins Bild setzen, geht es mir um eine angemessene würdevolle Darstellung, das ist ein sehr feiner Grad und den zu erwischen, traue ich mir zu.

Inklusion bedeutet wie schon die Menschrechtskonvention sagt, die Voraussetzungen zu schaffen, sodass jeder Mensch auf der Welt ein selbstbestimmtes und zufriedenes Leben führen kann. Und bei so einer Sendung geht es nicht um Mitleid, sondern um ein Abbilden unserer Gesellschaft wie sie ist, ohne Bewertungen.

Denn was ich ablehne, ist die Tonalität: Bitte Achtung, hier günstiger Ablasshandel, wir essen jetzt den fetten Truthahn mit dem siebten Achtel Wein und erleichtern mit einer Spende von 10 Euro unser Gewissen. Es geht nicht um Mitleid, es geht um Zusammenhalt! Und Inklusion geht uns alle an. Und dann ist für jemanden eine Yogastunde oder ein tolles Buch ein super Weihnachtsgeschenk, und für jemand anderen ein Bett, mit dem sie die Rückenlehnen so einstellen kann, dass sie mit den Menschen auf Augenhöhe sprechen kann. Oder aus dem Fenster schauen. “


Ist es mit Corona heuer schwieriger, die Leute für einen guten Zweck zu motivieren oder zeichnet sich so etwas wie ein „Jetzt erst recht!“ in Sachen Hilfsbereitschaft ab?

Ich habe mit vielen NGOs gesprochen, mit den Damen und Herren am Telefon. Alle haben mir gesagt: Es scheint eine ganz klare Stimmung in Richtung Hilfsbereitschaft zu geben. Wie schon Bundespräsident Van der Bellen vor kurzem sagte: "Helfen ist etwas Österreichisches". Natürlich trifft es viele von uns, viele sind arbeitslos, viele sind auftragslos, aber viele wollen trotzdem helfen. Das finde ich bewundernswert und ein tolles Zeichen, dass wir eben keine Schönwettergesellschaft sind, die nur funktioniert, wenn alles Eitelsonnenschein ist, sondern die auch zusammenhält, wenn es hart auf hart kommt.“


Wie bringt man während einer Pandemie, mitten im Lockdown, eine Livesendung on Air?

Im Moment ist Produzieren nicht einfach, aber es geht natürlich und man gewöhnt sich daran. Unser Generaldirektor hat eine Parole ausgegeben, die finde ich ganz wichtig: Wir haben die Pflicht, jetzt in dieser schwierigen Zeit zu senden und für die ÖsterreicherInnen da zu sein, im finsteren November, in den Existenzängsten, in der Einsamkeit, in der Versprengtheit der Familie, in der Sorge um die Großmutter im Pflegeheim. Dass man hier mit einer kurzen entlastenden Ansage, wie zum Beispiel auch mit dieser TV Gala, die auch viele Stars zu Gast hatte, etwas anzubieten hat, ist ein Gebot der Stunde, auch als eine bewußt strategische, fast psychologische Gegenmaßnahme in der aktuellen Situation.“


Was ist dein Weihnachtswunsch?

Ich wünsche mir, dass die Aktion „Licht ins Dunkel“ auch in der Zeit nach Weihnachten bis zum nächsten Weihnachten in den Herzen aller bleibt, und dass man die Menschen, um die es dahinter geht, nicht vergisst, sodass „Licht ins Dunkel“ ganz selbstverständlich das ganze Jahr 2021 über präsent ist.“


 

Unsere Expertin

Doroteja Gradištanac studierte Vergleichenden Literaturwissenschaften und Germanistik in Wien und Begann ihre Medienkarriere zunächst als Moderatorin bei Wien1 und Ö3. Sie gewann vor allem durch die TV Sendung „Taxi Orange“ Bekanntheit. Doroteja wechselte schnell die Seiten hinter die Kamera und ist heute in ihrer Funktion als Leiterin der Entwicklungsabteilung des ORF unter anderem für „Dancing Stars“ und die Neugestaltung der „Licht ins Dunkel“-Sendungen verantwortlich.



 


Der 3. Dezember ist der Internationale Tag der Menschen mit Behinderung. Die Aktion Purple Light Up setzt ein deutliches Zeichen für 368 Millionen Menschen mit Behinderung weltweit. Die globale Aktion, die sich für die wirtschaftliche Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen einsetzt, findet heuer zum zweiten Mal in Österreich statt. Um ein breites Bewusstsein für diese Problematik zu schaffen, erstrahlten weltweit Gebäude und Wahrzeichen in lila, wie die Niagara Fälle, die Tower Bridge, die Allianz Arena oder das Parlament in Wien.

Allianz Arena #purplelightup
Allianz Arena erstrahlte am 3. Dezember in violettem Licht für die Aktion #purplelightup

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