von Katharina Sabetzer
Uns war der Sommer 2021 zu heiß. Nach dem gefühlt längsten Winter aller Zeiten, geprägt von Lockdown-Rückzug und anhaltend grauem Wetter, rollten der Sommer und die Hitzewelle dann überfallsartig, erbarmungslos und mit voller Kraft über uns hinweg. Hier in Wien wurden bereits im Juni sieben Hitzetage, an denen mindestens 30 Grad gemessen wurden, registriert. Im gleichen Zeitraum wurden jedoch nur 9 Millimeter Niederschlag verzeichnet.
Der übliche Genuss, der mit Sonnenstrahlen und langen, lauen Sommernächten einher geht, kam nicht auf. Es war zu plötzlich zu heiß. Und wir haben uns einmal mehr die Frage gestellt: Wie können wir als Gesellschaft, aber auch als Privatperson diese Temperaturzunahme bewältigen?
Der belastete Organismus
Unsere Körper brauchen Abkühlung. Selbst für gesunde erwachsene Personen ohne nennenswerte Vorerkrankungen sind Hitzetage eine große Belastung: Der Körper benötigt sehr viel Energie, um zu kühlen, außerdem leiden die Produktivität sowie unsere mentale Gesundheit unter den unüblich hohen Temperaturen. „Tatsächlich haben diverse Studien ergeben, dass Menschen überall auf der Welt an ungewöhnlich heißen Tagen leichter reizbar, aggressiver und gestresster sind“, schreiben Claudia Traidl-Hoffmann und Katja Trippel in ihrem aktuellen Buch „Überhitzt. Die Folgen des Klimawandels für unsere Gesundheit“.
Der Aufenthalt in Räumen, die aufgrund von anhaltend hohen Temperaturen nicht mehr abkühlen und stickig sind, beansprucht Körper und Geist. Kinder, ältere Personen und Menschen mit Risikofaktoren sind außerdem aufgrund ihrer körperlichen Voraussetzungen zusätzlich gefährdet. „Expert*innen rechnen in Österreich im Jahr 2030 mit 400 hitzebedingten Todesfällen pro Jahr, Mitte des Jahrhunderts sollen es bereits 1.000 sein“, heißt es etwa im Dossier „Urbane Kühlung“ des österreichischen Klima- und Energiefonds.
Die Klimakrise ist direkt vor unserer Haustür
Der Begriff „Extremwetterereignisse“ reicht nicht mehr aus, um wöchentliche Horrormeldungen, etwa über die extremen Waldbrände in der Türkei, Italien und Griechenland, die extremen Überschwemmungen in Deutschland, oder extremen Windgeschwindigkeiten eines Tornados in Tschechien, zu beschreiben.
Es ist unumgänglich, dass es einen globalen Kraftakt an politischen Maßnahmen und Anreizmodellen braucht, um die CO2-Ausstöße weltweit zu verringern und einen weiteren Anstieg der Durchschnittstemperaturen und extremer Wetterkapriolen abzubremsen um uns weiterhin halbwegs angenehme Lebensqualität in unseren Breitengraden zu garantieren. Die Möglichkeiten globaler Strategien, die unseren weltweiten Energieverbrauch in ökologische, nachhaltige Bahnen lenken können, sind seit Jahren bekannt. Einen Überblick dazu bietet etwa ein aktueller Bericht der Internationalen Energiebehörde.
Individuelle Schritte als Antrieb für Veränderung
Geht es Dir auch so? Sobald man sich mit den notwendigen Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels auseinandersetzt, tappt man binnen kürzester Zeit in die Gedankenfalle der gefühlten Ohnmacht: Was hilft es denn, wenn etwa die Europäische Union ein ambitioniertes Klimapaket präsentiert, wir gleichzeitig aber wissen, dass die USA und China die aktuell größten Kohlenstoff-Emittenten der Welt sind? Reicht es wirklich aus, im eigenen Haushalt Müll zu trennen, wenn die Aufgabe der Emissionsreduktion so unfassbar riesig erscheint? Viele von uns machen sich viel Druck in ihrer eigenen Umgebung der Umwelt zu Liebe zu handeln, meist fühlt man sich trotzdem klein und insignifikant.
Jonathan Safran Foer macht uns Mut und fasst in seinem 2019 erschienen Buch „Wir sind das Klima. Wie wir unseren Planeten schon beim Frühstück retten können.“ zahlreiche Beispiele der Weltgeschichte, in denen Handlungen einzelner Personen zu gesellschaftlichen Veränderungen geführt haben, zusammen – und ruft dann in Erinnerung, wie es ist, in einem Stadion an einer Zuschauerwelle teilzunehmen:
„Wellen leben vom Mitmachen. [...] Wellen brauchen kein Gefühl, sie bringen es hervor. Ich bin noch nie bei einer Welle sitzen geblieben.“
Die Welle starten ...
Das Gefühl der Ohnmacht abgeschüttelt, schauen wir uns mit Hoffnung und Tatkraft die Herausforderungen, die vor uns liegen an. Und diese teilen sich meist in zwei – durchaus zusammenhängende, aber individuell motivierte – Bereiche: Einerseits können und sollten wir Maßnahmen in unserem Alltag setzen, die auf lange Sicht die Klimakatastrophe verhindern oder zumindest abschwächen werden (Kurzstreckenflüge vermeiden, weniger Autofahrten, nachhaltiger Konsum bei Nahrungsmitteln und Produkten des Alltags, und vieles, vieles mehr).
Andererseits brauchen wir rein pragmatisch gesehen aber auch ebenso Lösungen, wie wir unseren Alltag mit Hitzewellen bewältigen können. Lässt sich das kombinieren?
Wasser und Abkühlung
Wir brauchen Wasser – regelmäßig und wesentlich mehr als an „normal“ temperierten Tagen – um unsere körpereigenen Kühlfunktionen am Laufen zu halten. Und wir brauchen Plätze zum Verschnaufen und Abkühlen. Nach dem Hitzesommer 2003 wurden in vielen europäischen Ländern Hitzepläne entworfen, so etwa auch im damals sehr stark betroffenen Frankreich: Seither werden etwa ältere Personen an Hitzetagen für einige Stunden in klimatisierte Räume, zum Beispiel Museen oder Bibliotheken, begleitet. In zahlreichen Großstädten gibt es während langanhaltender Hitzeperioden vereinzelt Einrichtungen, an denen man für einige Stunden in einem abgekühlten Raum liegen und sich erholen kann.
Jede*r kennt das erleichternde Gefühl, das klimatisierte Räume an Hitzetagen auslösen können: Der Atem beruhigt sich, das Hirn startet wieder durch und das Leben scheint wieder mehr Sinn zu machen. Jedoch: Bereits 2014 hat man in einer Studie herausgefunden, dass in Städten durch die Wärme, die Klimaanlagen abgeben, die Außentemperatur um bis zu ein Grad steigen kann. Der enorm hohe Energieverbrauch, der zur Kühlung von Räumen nötig ist, läuft ebenso allen Bemühungen, der Klimakrise beizukommen, zuwider. Die klassische Klimaanlage ist also keine Lösung für die eigene Wohnung.
Urbane Lebensqualität
Aber natürlich sollte der private Lebensraum während jener unerträglich heißen Sommerwochen nicht allzu sehr an Qualität einbüßen. Gerade wer in innerstädtischen Bereichen wohnt, in denen es wenige Grünflächen gibt, kennt das Leben auf der Hitzeinsel nur zu gut – und was es für den Schlaf, die Konzentration und den allgemeinen Gemütszustand bedeutet, wenn es mehrere Nächte hintereinander nicht mehr unter 20 Grad abkühlt.
Gehsteige, Straßen, Hausfassaden, die über längere Zeit, über mehrere Tage und Wochen hinweg direkter Sonnenbestrahlung ausgesetzt sind, speichern die Wärme langanhaltend – und kühlen auch während der Nacht kaum ab. Mit einer Thermalkamera lässt sich nachvollziehen, dass Stadtbereiche mit vielen Bäumen manchmal um 10 bis 20 Grad kühler sind als die baumlosen Regionen daneben.
In manchen dieser Bereiche ist tatsächlich die (überregionale) Stadtplanung gefragt, um der Bevölkerung Erleichterung zu verschaffen: Die Vermeidung von weiterer Versiegelung und zusätzlichen Asphaltflächen, das Entschärfen von Hitzeinseln durch Begrünung oder mithilfe von kühlenden Wasserstellen, Rasenflächen zwischen Straßenbahnschienen, aber auch die Berücksichtigung von sogenannten Frischluftkorridoren in einer Stadt, sind nur einige dieser Maßnahmen, die in Großstädten weltweit bereits teilweise umgesetzt werden.
Wien profitiert etwa vom vor der Stadt liegenden Wienerwald, der in der Nacht kühlende Luft in die Stadt trägt – sofern der Wind nicht auf Hindernisse wie Gebäude aber auch zu aufgeheizte Flächen (etwa Parkplätze) trifft. Manche Abkühlungsstrategien muss man also größer denken. Aber was machen wir direkt vor unserer Haustür?
Alles nur Fassade?
Hausfassaden und Hausdächer sind im Zusammenhang mit der Kühlung von Lebensräumen in den vergangenen Jahren verstärkt in den Fokus geraten. In dicht besiedeltem (Stadt-)Gebiet lassen sich oftmals benötigte Abkühlungskonzepte mit weniger Asphalt oder großen Laubbäumen nicht einfach umsetzen, weshalb das Grün rund ums Haus integriert wird. Kletterpflanzen, wie etwa Efeu oder Wilder Wein, die in schmalen Betontrögen angesetzt sind, schlängeln sich im Laufe der Jahre die Hausfassade nach oben – und halten so nicht nur die direkte Sonneneinstrahlung ab, sondern auch die Räume dahinter kühler. Die gesamte Umgebung heizt sich weniger auf. Außerdem schaffen diese Fassadenpflanzen Lebensräume für Insekten und sie filtern den Feinstaub aus der Stadtluft.
Wohnungen und Büros, die direkt unter flachen Dächern liegen, stellen an Hitzetagen Temperaturrekorde aufgrund des geringen Schutzes von oben auf. „Ein flaches Metalldach kann in Wien im Sommer eine Temperatur von 80 Grad erreichen“, hat die Wiener Universitätsprofessorin Azra Korjenic schon vor vielen Jahren herausgefunden. Und auch hier hilft mehr Grün:
„Ein begrüntes Dach wird nicht wärmer als die umgebende Luft. Die Pflanzen wirken als Dämmschicht, durch die Verdunstung von Wasser entsteht außerdem ein zusätzlicher Kühlungseffekt.“
Wovon schließlich die gesamte Umgebung profitiert. Wohnungen unter begrünten Dächern kühlen um bis zu vier Grad ab und auf den Dächern entstehen neue Lebensräume für Vögel und Wildbienen.
Klimaanlage Baum
Eine noch größere Bereicherung für jeglichen Lebensraum sind Bäume. Schattenspendend, luftreinigend und allein schon durch ihre Anwesenheit kühlend sind Bäume eine der nachhaltigsten Maßnahmen, um sich während intensiver Hitzephasen zu erholen. Claudia Traidl-Hoffmann und Katja Trippel beschreiben in ihrem Buch Überhitzt:
"Eine 150-jährige Buche mit rund 800.000 Blättern verdunstet täglich bis zu 500 Liter Wasser. Pro 100 Liter erreicht sie damit eine Kühlleistung von etwa 70 Kilowattstunden – genug, um zwei durchschnittliche Haushaltsklimageräte zu betreiben."
Im eigenen Garten profitiert die gesamte Umgebung von Bäumen. Sich im Baumschatten aufzuhalten ist oftmals angenehmer als im stickigen, abgedunkelten Innenraum. Bereiche rund um einen Baum kühlen am Abend schneller ab als etwa asphaltierter Boden und sorgen so früher für frische, kühle Luft, mit der man die Innenräume durchlüften und abkühlen kann.
Schattenplatz zu Hause
Wer bereits alte Bäume im Garten hat, sollte diese auf jeden Fall behalten. Aber auch jeder neu gepflanzte Baum ist ein Beitrag für die Umwelt. Die Entscheidung, wo man welchen Baum im eigenen Garten pflanzt, wird von mehreren Faktoren beeinflusst:
Bodenqualität: Wo ist der richtige Standort? Wie gut sich Dein Baum entwickelt, hängt davon ab, wie viel Wurzelraum er erhält und wie der Boden, in den er gepflanzt wird, beschaffen ist. Nicht jeder Baum passt zu jedem Boden. Hilfe bei der Auswahl der passenden Bäume liefert zum Beispiel dieser Baumnavigator.
Sonnenstand: Wie bewegt sich die Sonne im Laufe des Tages bzw. im Laufe des Jahres? Du solltest den Sonnenstand im Laufe aller Jahreszeiten beobachten, bevor Du eine Entscheidung triffst, wohin Du den Baum pflanzt. Wohin fällt der Baumschatten im Verlauf der kommenden Jahre? Soll ein bestimmter Teil Deines Gartens im Schatten liegen? Möchtest Du eventuell die Südfassade des Hauses beschatten?
Größe: Vergiss nicht, dass der Baum wächst! Wie hoch darf der Baum werden? Nicht alle Bäume wachsen gleich hoch und auch die Form der Baumkronen unterscheidet sich von Baum zu Baum. Je nachdem, wie viel Platz dem Baum im Laufe der kommenden Jahrzehnte (!) zur Verfügung steht, wird die Entscheidung getroffen.
Wind: Wo weht der Wind? In Bezug auf den Wind erfüllen Bäume unterschiedliche Funktionen: Auf der einen Seite können sie Wind bis zu einem gewissen Grad abhalten und somit Schutz bieten, auf der anderen Seite sollten Bäume auch nicht zu dicht gesetzt sein, wenn durch regelmäßige Windströmungen garantiert wird, dass kühle Luft in Deinen Garten gelangt.
Mikrokosmos Eigengarten
Aber nicht nur Bäume tragen zu einem angenehmeren Gartenklima bei. Auch die Rasenhöhe bestimmt, wie kühl der Bereich rund um Dein Haus wird. Grundsätzlich ist Rasen immer ideal und besser als Asphalt oder mit Steinplatten versiegelte Stellen. Je höher der Rasen wird, desto kühler bleibt der Boden darunter – und bestimmt so die Umgebungstemperatur mit. Vor allem an besonders heißen Tagen, aber auch an jenen Stellen, die lange in der direkten Sonne liegen, sollte der Rasen nicht zu kurz gemäht werden.
Nachhaltig gießen
In Zeiten des sich wandelnden Klimas sind wir auch immer häufiger mit langanhaltenden Trockenphasen konfrontiert. Wer sich mit Pflanzen umgibt, braucht Wasser – viel Wasser. Gießwasser aus der Leitung ist bedauerlicherweise kein nachhaltiger Umgang mit der lebensnotwendigen Ressource. Aber wir können aus den wenigen Regentagen schöpfen: Wer Regentonnen unter der Regenrinne positioniert, sammelt oft ausreichend Wasser, um lange Trockenphasen mit genügend Gießwasser zu überdauern.
Der beste Zeitpunkt, seine Pflanzen zu gießen ist übrigens gleich am Morgen, wenn die Erde noch taunass ist. Da nimmt der Boden weiteres Wasser gut auf. Besondere Vorsicht gilt vor allem, wenn man während der heißen Mittagsstunden gießt – Wassertropfen, die zu dieser Zeit auf den Blättern landen, wirken bei direkter Sonneneinstrahlung wie ein Brennglas. Das kann den Pflanzen sehr schaden.
Wenn Du Deinen Garten mit jenen Pflanzen bestückst, die es in heißem Klima sehr gut aushalten können, benötigst Du insgesamt weniger Wasser für ein buntes, lebendiges Gartenerlebnis: Angefangen von Lavendel, über mediterrane Kräuter, die noch dazu herrlich riechen, bis hin zu Gartenklassikern wie Königskerzen, Sonnenhut in allen Farben oder aber auch etwas Lampenputzergras dazwischen.
Wenig Platz für Natur
Auch für Balkon, Terrasse oder Fensterbänke gibt es nachhaltige Methoden der Grüngestaltung: Lavendel oder Gewürz-Salbei sowie mediterrane Kräuter lassen unmittelbar vor der Wohnung Urlaubsfeeling entstehen. Wer große Töpfe, zum Beispiel aus Terrakotta, mit mehreren Pflanzensorten gestaltet, bietet sich selbst und der Insektenwelt der Umgebung ein Naturerlebnis für alle Sinne.
Wenn Dir jetzt der grüne Daumen juckt, Du aber keinen eigenen Balkon oder Garten hast, findest Du eventuell bei einem der zahlreichen Urban Gardening-Projekte eine Möglichkeit, Deine Naturliebe auszuleben: Von der Gestaltung von Baumscheiben bis hin zur Unterstützung beim Gießen städtischer Grünanlagen gibt es zahlreiche Möglichkeiten, sich an der Entwicklung der Natur in Deiner unmittelbaren Umgebung zu beteiligen.
Oder Du gönnst Dir einfach mal einen Ausflug in den Wald!
Unsere Autorin
Katharina Sabetzer ist seit mehr als 15 Jahren in der Kommunikationswelt tätig. Sie lebt und schreibt in Wien und in der Steiermark und ist Inhaberin der Kommunikationsberatung Erzählbar mit Sitz in Wien.
Kontakt: www.erzählbar.at
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