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Projekt Sohn

INTERVIEW: PAMELA RUSSMANN


Im Jänner 2024 sorgte eine Studie der Financial Times für Aufsehen. Demnach haben sich die politischen Ansichten der 18- bis 29-jährigen Menschen weltweit enorm auseinanderentwickelt – und zwar abhängig vom Geschlecht. Während die jungen Frauen liberaler und weltoffener wurden, drifteten die jungen Männer nach rechts. Die Gender-Forscherin Alice Evans analysiert, dass die heute unter 30-Jährigen „eine große geschlechtsspezifische Entfremdung durchlaufen haben”. Feministische Bewegungen und die #metoo-Debatte sind zwei der Hauptgründe für diesen Prozess.

Die deutsch-iranische Journalistin Shila Behjat sagt, wir brauchen eine neue Form von Feminismus, nämlich den, der sich mit den Söhnen auseinandersetzt. Aus denen werden schließlich die Männer von morgen.

 


Laufende Buben von hinten auf der Wiese I Foto von © Jordan Whitt I Projekt Sohn I myGiulia
© Jordan Whitt

 

Nur was brauchen wir, damit unsere Gesellschaft gleichberechtigter wird? Wir erziehen unsere Töchter zu Feministinnen, „empowern” junge Frauen, wo es nur geht und den berühmten Spruch „The future is female“ könnte man gefühlt eigentlich schon längst zu „Die Gegenwart ist weiblich“ umformulieren. Aber was ist mit den Söhnen? Wäre es nicht Aufgabe für die Eltern der Gegenwart, sich nun mit den Buben im Haushalt zu beschäftigen? Shila Behjat hat sich genau mit dieser Frage für ihr neues Buch beschäftigt: „Söhne großziehen als Feministin”; Untertitel: „Ein Streitgespräch mit mir selbst.“ Pamela Rußmann hat sich von Mädchenmama zu Bubenmama mit Shila Behjat ausgetauscht.

 


Feminismus ist für mich keine Opferposition, sondern die Haltung einer Protagonistin.

 

Wer oder was hat dich Feministin werden lassen?

 

Das F in Frau steht zwar nicht zwangsläufig für Feminismus, aber für mich waren es eben genau die Momente, in denen mein Frausein anderen den Anlass gegeben hat, mich nicht zu respektieren oder fair zu behandeln, mich klein zu machen oder zu bedrohen. Und wie jede Frau trage ich die Gewalterfahrungen anderer Frauen genauso mit mir herum. Man muss als Frau nicht vergewaltigt worden sein, um davor Angst zu haben. Was mich aber wirklich dazu gebracht hat, mich Feministin zu nennen, war meine Bewunderung für die Vorkämpferinnen vor uns, die, die wirklich etwas dafür riskiert haben, dass ich heute so frei leben kann. Feminismus ist für mich keine Opferposition, sondern die Haltung einer Protagonistin.

 


Du beschreibst im Buch den einen Moment in der Schwangerschaft, als beim Ultraschall „etwas zu sehen“ war – in Worten: ein Penis – und welches Gedankenkarussell dadurch in Gang gesetzt wurde bei dir. Das hört sich so an, als wärst du regelrecht geschockt gewesen von der Verantwortung, die plötzlich auf dir und deinem feministischen Selbstverständnis liegen würde.

 

Ich habe gerade erst mit einer Freundin darüber gesprochen. Es ist ja dieser Moment, den jede Mutter kennt. Dass die Frauenärztin plötzlich etwas sieht – oder eben nicht. Bei mir war ein Sohn einfach erst einmal eine Möglichkeit, mit der ich gar nicht gerechnet habe. Hoppla! Und wie viel mehr Hoppla, als ich dann beobachtete, dass diese Information allein genügt hat, um voll in das „Projekt Sohn“ einzusteigen. Zielsetzung: Er darf kein Arschloch werden! Und das von mir, die sich bis dahin wirklich vehement dagegen gewehrt hat, als Frau auf etwas reduziert oder pauschal einsortiert zu werden! Bei meinen Söhnen bin ich knallhart und völlig pauschal vom Schlimmsten ausgegangen. Sie sollen nicht solche Männer werden. Beim Schreiben des Buches sind mir dann mehr und mehr solcher Geschichten begegnet. Einmal fragte ich eine befreundete Mutter, wie denn die zweite Schwangerschaft, nach einer Tochter nun ein Sohn, verlaufe. Und sie gab nur zurück: „Der Kerl liegt falsch herum!“ Dieser harte Blick auf Jungs ist nichts Ungewöhnliches und er zieht sich weiter durch. Sie werden weniger umarmt, es wird weniger mit ihnen gesprochen, auch ihre Gefühle werden weniger thematisiert. bell hooks schreibt, dass Männer den ersten Akt der Gewalt nicht gegen andere, sondern gegen sich selbst vollziehen. Sie erklären sich selbst als absolut dafür ungeeignet, dass ihnen Empathie entgegengebracht wird. Wichtig ist mir aber eines: Das sind Erklärungen, keine Entlastungen! Meinen Söhnen mit derselben Empathie zu begegnen wie Mädchen bedeutet, dass ich sie für genauso befähigt und verpflichtet sehe, dieses Mitgefühl anderen entgegenzubringen.

 


Und was hat der zukünftige Vater mit der Sohn-Info gemacht? Sofort mit den

Kumpels in die nächste Bar auf ein Bier? Weil stolz auf seine Potenz?

 

Hahaha, sehr gut. Ja, also genau das sind diese Bilder – ich wage zu sagen: Unterstellungen, die mich umtreiben. Touché!

 


Als ich schwanger war, haben der Kindsvater und ich entschieden, dass wir uns das Geschlecht des Kindes absichtlich nicht sagen lassen. Wir wollten nicht bereits während der Schwangerschaft auf das Geschlecht fokussiert sein und dadurch die Gedanken, Erwartungen und Gefühle in gewisse Bahnen lenken, sondern uns auf einen Menschen vorbereiten. War das für dich keine Option?

 

Spannend. Also, dann hast du diesen oben beschriebenen Moment bei der Frauenärztin

nicht erlebt…

 


Nein, erst nach der letzten Presswehe habe ich gesehen, dass es ein Mädchen ist!

 

Ich war bis zu diesem einen Moment beim Ultraschall übrigens fest davon überzeugt, dass das Geschlecht für mich KEINEN Unterschied machen würde.

 



Foto Neugeborenes in Händen I Mutter und Erziehung I Projekt Sohn I Foto von Pamela Rußmann I myGiulia
© Pamela Rußmann

 

Viele Eltern, die Erziehung bewusst und achtsam gestalten, beschäftigt die

Frage, welches Spielzeug man Kindern schenken könne, um Geschlechterstereotypen nicht fortzuschreiben. Wie handhabt ihr das als Eltern? Werden da zwischendurch mal Baby-Puppen und Glitzermalstifte den Buben angeboten und Spielzeugautos, Ritterkostüm und Eisenbahnschienen aus dem Kinderzimmer verbannt?

 

Wir haben nichts verbannt. Wir haben ein wenig gesteuert, dass es immer eine große

Varianz an Angeboten gab. Ich wollte vor allem nichts bewerten, also auch nicht in Richtung „Spiel doch auch mal mit einer Puppe” oder „Lass doch mal die Züge”. In Berlin hatten wir dafür glücklicherweise auch ein gutes Betreuungsangebot. Mit eins konnte mein älterer Sohn dann alle Automarken. Er sah ein Auto und wusste, welche Marke. Und dabei haben wir selber gar kein Auto. Und mein zweiter ist ein absoluter Tierfan geworden, bis heute. Vermutlich tauge ich an dieser Stelle nicht als Ratgeberin. Was ich aber wirklich wichtig finde, ist, dass wir nicht alles verteufeln, was wir als „typisch Junge” zu erkennen glauben. Das sind ja auch Stereotype.

 


Portrait-Foto von Shila Behjat I Copyright Neda Rajabi I Projekt Sohn I Feminismus I myGiulia
© Neda Rajabi
Ich denke, der Zustand der Welt verlangt etwas anderes, als dass jetzt einfach die Mädchen dran sind."

 
















Lautet das Fazit: Das Ansinnen, Buben und Mädchen gleich zu behandeln, ist

kontraproduktiv, weil Buben und Mädchen eben nicht gleich sind?

 

Buben und Mädchen sind nicht gleich, aber nicht, weil sie Buben und Mädchen, sondern weil wir alle unterschiedlich sind. Ich denke mehr und mehr darüber nach, wie es aussieht, wenn das Geschlecht einfach keine Rolle mehr spielt. Seien wir doch ehrlich. Natürlich identifiziere ich mich als Frau, aber ich will doch vor allem, dass andere mich für das sehen und schätzen, was mich als Individuum ausmacht. Das muss doch für alle Menschen das Ziel sein.

 


Wir erzählen Mädchen und Frauen nun schon seit geraumer Zeit, dass sie alles machen und alles werden können, was sie wollen. Die Rollenbilder scheinen unendlich, Mädchen dürfen sich in jede erdenkliche Richtung austoben. Warum sagen wir dieselben Worte nicht auch den Buben? Ist da eine Ablehnung allem Männlichen per se impliziert?

 

Die Ablehnung des Männlichen ist das eine. Und gleichzeitig ist das andere, dass wir nun zwar Mädchen bevorzugen, aber mit denselben Mechanismen. Sie sollen die Besten, Ersten, Reichsten und Erfolgreichsten sein. Haben wir dann aber irgendetwas gewonnen? Außer, dass sich Ruhm, Ansehen und Ressourcen auf individueller Ebene verlagert haben? Ich denke, der Zustand der Welt verlangt etwas anderes, als dass jetzt einfach „die Mädchen dran sind“.

 


Ich finde, wir überbewerten das Thema Arbeit in der Debatte um Gleichberechtigung vollends. Dass eine Frau arbeitet, ist keine Errungenschaft für sie per se.

 


Ich habe noch nie eine Feministin vernommen, die dafür plädiert, dass mehr Frauen auf Baustellen, in der Müllabfuhr oder als Stahlarbeiterinnen am Hochofen arbeiten sollen. Ist es polemisch, wenn ich sage, es gibt eine gewisse Tendenz zum Cherry picking?

 

Das habe ich jetzt schon öfter gehört. Mich nimmt man da voll mit. Ich finde, wir überbewerten das Thema Arbeit in der Debatte um Gleichberechtigung vollends. Dass eine Frau arbeitet, ist keine Errungenschaft für sie per se. Es ist eine Notwendigkeit, denn wovon soll sie leben? Dass diese Arbeit fair bezahlt und sicher ist, das sind Fragen, die nicht nur Frauen betreffen. Das sind wichtige soziale Fragen, die gelöst werden müssen.

 


Du konstatierst, dass Buben heutzutage erst mal zeigen müssen, dass sie kein Problem für die Gesellschaft sind. Ich empfinde das auch so und finde diesen Befund unglaublich traurig. Wie ist diese Situation entstanden?

 

Ich habe in meinem Buch viele Episoden dazu gesammelt, denn das ist das, was mich auch sehr traurig gestimmt hat. Kennst du das, wenn es einen mehr trifft als das eigene Kind, auf das es eigentlich abgerichtet war? So fühle ich dazu. Jungs sind laut, können deshalb nicht bei Konzerten stillsitzen. Sie machen alles kaputt, müssen deshalb im Geschäft quasi an der Leine gehalten werden. Sie produzieren viel Wäsche und einfach nur enorm viel Arbeit für alle… Interessanterweise sind das ja zunächst einfach nur Beleidigungen, aber in der Folge funktionieren sie wie Entlastungen. Kein Wunder, dass viele Frauen das Gefühl haben, sie müssten ihren Männern die Augen für den Haushalt öffnen. Oder dass es dann Sprüche gibt wie „SO sind halt Jungs“. Boys will be boys, seufz. Nein! So werden Jungen zu self-fulfilling prophecies. Wir müssen ihnen aber von Beginn an zutrauen, dass sie besser sind als das. Wir müssen es von ihnen erwarten!

 


Weinender Bub I Hände im Gesicht I Projekt Sohn I Foto von © Ksenia Makagonova I myGiulia
© Ksenia Makagonova

Hast du schon jemals einem deiner Söhne gesagt, er soll aufhören zu weinen, oder er soll nicht so ängstlich sein, oder er soll nicht so zimperlich sein, oder er soll leise sein?

 

Dass sie nicht ängstlich sein sollen, ja. Aber ich hege eine ungemeine Faszination für Mut. Die anderen Dinge weniger, aber wir werden sehen, wie die beiden das beurteilen, wenn sie älter sind. Schwierig finde ich es offen gesagt auch nicht mehr so sehr, wenn ich selbst das Zepter in der Hand habe und auf sie direkt reagieren kann, sondern wenn der erste Zugriff durch andere Erwachsene erfolgt. Im Sport zum Beispiel. Da sind starke Emotionen oder Schwäche für Jungs ein großes Tabu. Das sind diese Momente, in denen ich weder den Trainer noch das ganze System an sich ändern kann. Sondern den Umgang damit.

 


Die Bubenmütter in meinem Umfeld erzählen mir seit Jahren, dass sie irgendwann

resigniert hätten bei der genderneutralen Erziehung. Beim ersten knorrigen Ast, der im Park zu einer Waffe umgedeutet wurde, sind sie noch fast kollabiert, irgendwann hieß es beim Anblick der Dino- und Matchboxautosammlung nur mehr: Buben sind halt so. Sie haben sich damit abgefunden, dass sich der Lärmpegel im Haushalt die nächsten 15 Jahre nicht mehr runterregulieren lassen wird. Welche hehren Ziele und Vorsätze hast du aufgegeben?

 

Offensichtlich lebe ich mit einem Autofanatiker zusammen, hahaha. Aber im Ernst: An Dinos und Spielzeugautos ist ja auch nichts falsch. Bei Lärm hingegen würde ich sagen, dass es da durchaus auch um andere geht und die Energie sich lohnt, da auch den Anspruch an Jungs zu haben, dass sie eben auch leise sein und andere nicht stören können. Das Thema Kämpfen ist bei uns zuhause sehr groß. Ich habe es lange Zeit als sehr gewaltsam empfunden und versucht zu unterbinden. Bis ich bei einer befreundeten Mutter zuhause war. Wir kamen durch die Tür und ihre beiden Kinder schmissen sich auf sie. Die drei rangelten ein paar Minuten auf dem Bett, bis meine Freundin dann sagte: „So, das haben sie jetzt gebraucht, um sich abzureagieren.“ Da konnte ich plötzlich ganz anders auf das Rangeln meiner Jungs blicken. Wohlgemerkt, meine Freundin hat zwei Töchter.

 


Jeder Mensch hat ein Recht darauf, unvoreingenommen wahrgenommen zu werden.

 

Wie entkommt man als Bubenmutter eingelernten Denkfallen in Bezug auf Männlichkeitsklischees?

 

Ich gebe in meinem Buch überhaupt keine Erziehungstipps, das würde ich mir niemals anmaßen. Aber eines möchte ich wirklich erreichen: dass wir uns ehrlich überprüfen. Gerade, wenn man von sich selbst denkt, total fair und aufgeklärt zu sein, ist es schwer, sich einzugestehen, dass man tatsächlich ungerecht ist, oder voreingenommen.

 


Wenn ich aus deinem Buch einen Satz wählen müsste für ein T-Shirt, dann wäre das: „Jeder Mensch hat ein Recht darauf, unvoreingenommen wahrgenommen zu werden.“ Ok, ist vielleicht zu lang für ein Shirt, aber ich finde, dass diese Haltung in der viel zitierten gespaltenen Gesellschaft enorm wichtig geworden ist. Wie bringst du diese Haltung deinen Buben bei?

 

Oh, danke. Ein T-Shirt ist eine tolle Idee. Ich denke, es ist eine tägliche Übung. Jeden Tag, jeden Augenblick, auch, wenn es mal nicht gelingt, dann darüber zu sprechen. Ich kenne die Geschichte einer Mutter, die mit ihren drei Söhnen im Auto in einer Großstadt unterwegs war und als an einer Ampel eine obdachlose Person an den Wagen trat, kurbelte sie schnell das Fenster hoch und verriegelte die Türen von innen. Die Kinder fragten, warum sie das tat. Das ist eine dieser Situationen, in denen unsere eigenen Vorurteile ziemlich reinknallen.

 


Spielende Buben am Wasser I Buben fischen am Wasser I Projekt Sohn I Foto © Tolga Ahmetler I myGiulia
© Tolga Ahmetler

Als Mädchenmama beschäftigen mich wahrscheinlich andere Sorgen als dich. Mich hat immer die Befürchtung umgetrieben, dass meiner Tochter etwas zustoßen könnte, wenn sie nachts in der Großstadt allein unterwegs ist. K.O.-Tropfen, Vergewaltigung, Überfall am Weg von der U-Bahn nach Hause...also potenzielle Gefahren im öffentlichen Raum, die von Männern ausgehen. Was ist deine größte Angst, wenn du an deine Söhne denkst?

 

Ich muss zunächst sagen, dass es mich unglaublich umtreibt, dass wir uns um die Generation unserer Kinder immer noch diese Sorgen machen müssen. Dass Mädchen, die im Alter meiner Söhne sind, dieselben Ängste haben müssen wie ich… Wann hört das auf? Nun, ich denke, wenn Mädchen und Jungen gemeinsam gegen das einstehen, was sie ja beide bedroht: männliche Gewalt. Jungs sind von dieser genauso betroffen, denn Männer werden häufiger Opfer von Gewaltverbrechen, die durch andere Männer begangen werden.

 


Die feministischen Wellen haben sich oft sehr schwer mit Mutterschaft getan und dieses Thema eigentlich ausgeklammert über viele Jahrzehnte. Was ich zwar nie nachvollziehen konnte, mir aber damit erklärt habe, dass es vor 50 Jahren mehr um den Kampf für und das Recht auf Abtreibung ging und man von der Mutterrolle als Frau generell weg wollte, weil sie mit finanzieller Abhängigkeit, Gebundensein ans Haus und wenig Wirkmacht in der Gesellschaft verknüpft war.

 

Danke, dass du die Frage der Rolle von Müttern im Feminismus ansprichst. Ich empfinde es genauso wie du. „Strong enough to bear the children, then get back to business.” In dieser Songzeile von Beyoncé steckt so viel. Und ja, VOR ALLEM durch die Augen meiner Söhne bin ich stark, kann ich alles, weiß ich immer einen Rat, bin ich ihr Halt und ihr Schutz. All die Eigenschaften, die der Feminismus doch zelebriert. Aber was macht dieser stattdessen – sieht Mutterschaft als ein Hindernis für Frauen. Das liegt einerseits wie gesagt an der absoluten Überschätzung von Erwerbsarbeit in der Debatte. Es ist schon bemerkenswert, dass gerade dieses Thema, an dem nicht nur die Frauen profitieren, sondern eben vor allem auch Unternehmen, die Arbeitskräfte brauchen und eine Wirtschaft, die Konsument*innen braucht, in der Genderdebatte so wahn-sinnig erfolgreich geworden ist. Andererseits hängt es für mich auch damit zusammen, dass wir zwar Frauen fördern und inzwischen sehr stolz und selbstbestimmt auch extrem verweiblichte Bilder vertreten. Aber typisch weiblich konnotierte persönliche Eigenschaften wie Mitgefühl oder Fürsorge oder Empathie wiederum als zu klischeebehaftet von uns weisen. Sie sind es aber, die wir vermutlich wirklich brauchen, um etwas zu verändern. Was der Feminismus doch eigentlich will. Und zu guter Letzt zurück zu den Söhnen. Wer, wenn nicht deren Mütter, haben diese Veränderung sprichwörtlich in den Händen?

 


Ich wünsche mir Freiheit, Sicherheit und Liebe. Für alle.

 

Was wünschst du dir für den europäischen Feminismus? Welche drei Punkte scheinen dir am drängendsten im Jahr 2024?

 

Eine schöne Frage. 2024 scheint es drängender als je zuvor, gegen autoritäre Kräfte und menschenverachtende Ideologien vorzugehen. Beides adressiert der Feminismus vehement im Kampf um Gleichstellung von Frauen. Wie kraftvoll wäre es, diesen wohltrainierten Muskel nun einzusetzen, gegen Rechtsextremismus, gegen wachsenden Hass und zunehmende Polarisierung, gegen die, die Gesellschaften spalten und Menschen gegeneinander aufbringen wollen? Es sind keine drei Punkte. Es sind drei Worte: Freiheit, Sicherheit und Liebe. Für alle.

 



 

Im Interview


Shila Behjat Portrait-Foto von © Neda Rajabi I Projekt Sohn I Erziehung und Feminismus I myGiulia
© Neda Rajabi

Shila Behjat, 1982 in Karlsruhe geboren, ist Journalistin und Publizistin mit iranischen Wurzeln. In Hamburg und Paris studierte sie Jus und war u. a. als Korrespondentin in London und als freie Journalistin in Indien tätig. Beim TV-Sender Arte ist sie für Dokumentationen und die Entwicklung neuer Fernsehformate zuständig. Inzwischen ist sie häufig – sowohl vor der Kamera als auch bei Diskussionsveranstaltungen – als Moderatorin im Einsatz. Shila Behjat lebt mit ihrer Familie in Berlin.

 











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von Shila Behjat


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Unsere Autorin


Pamela Rußmann | myGiulia

Pamela Rußmann ist Chefredakteurin bei myGiulia. Sie fotografiert seit ihrer Kindheit und parallel dazu schwingt stets die Liebe zu(m) Texten mit: Sie arbeitete beim ORF-Radiosender FM4, ist Gründungsmitglied der ORF-Late-Night-Show „Willkommen Österreich“. Für das Jahr 2020 hatte sie ein neues Lebenskapitel geplant, sie zog einen Schlussstrich unter ihre Fernsehtätigkeit, ab Mitte März war alles darauf ausgerichtet, den Fokus komplett auf die Fotografie zu legen.




Doch dann kam der erste Lockdown und ihr bereits schön gefüllter Kalender war plötzlich leergefegt. Aber der Lockdown hat sie nicht blockiert, sondern sie hat in dieser Zeit ein kreatives Projekt entstehen lassen und im Lockdown Frauen auf der ganzen Welt zu einem Online-Shooting gerufen – deren Portraits und Gedanken zur Pandemie sind im bewegenden Buch: „Irgendwann geht auch das vorbei“ festgehalten.




 

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