Etwas Positives an der eigenen Periode finden – die meisten Frauen würden sich damit schwer tun. Was, bitte schön, soll schließlich toll daran sein, sich einmal im Monat mit Konzentrationsschwäche, Kopfschmerzen, Krämpfen und Müdigkeit herum zu schlagen?

Der derzeitige Trend, die monatliche Blutung als eine Art Superpower neu zu definieren, ist für viele Frauen schwer nachvollziehbar – kein Wunder, wenn man bedenkt, dass sich 90 Prozent aller fruchtbaren Frauen Monat für Monat mit den oben genannten Symptomen herumschlagen. Satte 10 Prozent davon leiden sogar unter extremen Regelbeschwerden, die es ihnen immer wieder schwer bis unmöglich machen, ihrer Arbeit oder Ausbildung nachzukommen.
Dass es sich hierbei keineswegs um Wehleidigkeit handelt, zeigte 2016 eine Studie des Imperial College London, der zufolge Schmerzen während einer starken Regelblutung vergleichbar mit denen während eines Herzinfarkts sind. Klingt grimmig; ist es (mitunter) auch. Wenn dann noch sexistische Kommentare von Kollegen und die Sorge um mögliche berufliche Benachteiligung dazukommen, entsteht das toxische Amalgam aus Scham, Resignation und ernsthaften gesundheitlichen Kompromissen, das die meisten Frauen nur zu gut kennen.
Änderung in Sicht
Nachdem Generationen von ForscherInnen, AktivistInnen, PädagogInnen und KünstlerInnen das Tabu um die Periode nicht brechen konnten, fegt nun endlich eine frische, provokant optimistische Brise durch den öffentlichen Diskurs. Anders als früher jedoch, kommen viele der aktuellen Aufrufe zum Umdenken in Punkto Periode nicht mehr aus der Esoterik-Ecke oder feministischen Aktivisten-Kreisen. Wissenschaftlich fundierte, zugänglich aufbereitete Alternativen zu der demoralisierenden Auffassung des weiblichen Zykluses, mit der viele von uns aufgewachsen sind, rücken zusehends in den Mainstream.
Der diesjährige Oscar für die beste Kurz-Dokumentation, beispielsweise, ging an einen Film über ein indisches Dorf, das umweltfreundliche Binden produziert.
Unternehmen wie das Berliner Social Start-up The Female Company (Gründerinnen des Jahres 2020!), die es sich zum Ziel gemacht haben, die Periode sexy zu machen, bekommen immer mehr Zuspruch. Und letztes Jahr wurde der Release des offiziellen Menstruations-Emojis, in Form eines digitalen roten Blutstropfens, gefeiert. Hashtags wie #happytobleed oder #menstruationmatters sind im Dauertrend.
Toolkit fuer Optimistinnen
Doch wie soll das gehen, positive Periode? Frauen sind es nicht gewöhnt, sich konstruktiv und ohne Scham mit dem eigenen Körper auseinander zu setzten. Dazu fehlen uns oft (noch) das Selbstbewusstsein und das passende Vokabular. Immerhin hat in der Werbung Regelblut nach wie vor blau wie Schlumpfine zu sein, abgesehen von sehr seltenen Ausnahmen. Und wenn wir davon sprechen, gerade “Besuch von Tante Rouge” oder “einen Ferrari in der Tiefgarage” zu haben, versuchen wir selbst das generelle Unbehagen durch Abstraktion und Humor zu entschärfen. Vielen ist das Ganze immer noch viel zu peinlich, viel zu riskant. Hier zeigen wir euch Wege, wie eine neue Leichtigkeit in ein schweres Thema kommen könnte:
1. Gedankenexperimente wagen
Manche Werte werden uns in die Wiege gelegt, andere müssen wir uns erarbeiten – eine positive Einstellung zur Regelblutung fällt für die allermeisten von uns sicherlich in letztere Kategorie. Doch was wäre, wenn wir den weiblichen Zyklus nicht als Schwäche sondern als Stärke definieren würden? Was, wenn wir der Physiologie der Frau mit Respekt statt mit Scham begegnen würden? Was, wenn wir ihren wirtschaftlichen Wert adäquat bemessen würden? Was, kurz gesagt, wenn nicht Frauen sich dem System anpassen müssten, sondern umgekehrt?
Wem solche Fragen selbst 2020 noch zu radikal erscheinen, empfiehlt sich die Lektüre eines legendären Essays aus dem Jahre 1978. Unter dem schönen Titel “If Men Could Menstruate” (übersetzt: “Wenn Männer menstruieren könnten”) gibt sich hier die amerikanische Aktivistin Gloria Steinem einem unterhaltsam überspitzten Gedankenexperiment hin, in der Menstruation zur Männersache wird. Die Monatsblutung ist ein von Stolz erfülltes, beneidenswertes, ja sogar ein wettbewerbliches Phänomen: wer hier blutet am meisten, wer am längsten? Die erste Regelblutung von Buben wird religiös und gesellschaftlich gefeiert. Hygieneartikel werden vom Staat generös gefördert. Die Fähigkeit, monatlich zu bluten, wird in direkten Zusammenhang mit beruflicher und sportlicher Leistungsfähigkeit gebracht. Tampons und Binden halten als Machtsymbole her, haben plötzlich Sex Appeal.
Diese Parabel ist zwar zum Schmunzeln, sie gründet sich jedoch auf durchaus ernsten Fragen: Wie und von wem werden kulturelle Normen, Sprache, Machtgefüge konstruiert? Wer profitiert davon, wer verliert? Steinems Gedankenexperiment wirkt auch heute noch provokant – woran sich zeigt, wie hartnäckig sich die Scham um die weibliche Monatsblutung hält. Wäre es da nicht an der Zeit für ein wenig Offenheit gegenüber der “Period Positivity”-Bewegung?
2. Auf den eigenen Zyklus achten
Der erste Schritt zur positiven Periode besteht meistens darin, den eigenen Zyklus besser kennen zu lernen und sich ein Bild darüber zu verschaffen, was “normal” für einen selbst bedeutet. Der effektivste Weg dorthin? Mitschreiben. Wem Papier und Stift zu mühsam sind, kann sich für Apps wie Flo oder Clue entscheiden. Sie machen es Benutzerinnen besonders einfach, denn sie arbeiten über einen Periodenkalender, der sowohl den Zeitpunkt des Eisprungs, als auch der Regel und der fruchtbaren Tage vorhersagt und daran erinnert.
3. Zum Bestseller greifen
Wissen ist (Menstruations)Macht. Weite Teile der heutigen Medizin, Sport- und Ernährungswissenschaften beruhen allerdings immer noch ausschließlich auf der männlichen Physiologie. Da lohnt es sich, Ausschau nach Praktikern zu halten, die bezüglich Gender Medizin auf dem letzten Stand sind – oder diese zumindest auf dem Radar haben. Fachbücher wie das pragmatische „Superpower Periode" von Maisie Hill (2020) und das eher spirituell angehauchte „Wild Power“ von Alexandra Pope und Sjanie Hugo Wurlitzer (2019) sind bereits internationale Bestseller und bieten einen guten Einstieg. Sie informieren nicht nur über die verschiedenen Phasen des Zyklus und wie sich diese auf unseren Alltag auswirken, sondern klären auch darüber auf, wie Frauen ihre medizinische Beratung, Workouts und Ernährung “hormonfreundlich” optimieren können.
4. Persönlichen Austausch suchen
Der Wissensaustausch unter Frauen ist eine uralte Tradition, die derzeit ein Comeback feiert. Offene Gespräche unter Freundinnen oder den “Frauen der Familie” geben Rückhalt und können bewusst und genussvoll kultiviert werden. Schon allein das Gefühl, nicht allein dazustehen, kann positive Energien freisetzen und gleichzeitig Beziehungen stärken. Außerdem fällt es in vertrautem Kreis vielleicht leichter, Erfahrungen mit alternativen Hygieneartikeln wie Bio-Tampons, Stoffbinden oder Menstruationstassen zu teilen – oder einfach gemeinsam über peinliche Menstruations-Hoppalas zu lachen.
5. Sich in bestehende Netzwerke einklinken
Wer sich solche Gespräche im Freundeskreis oder mit Verwandten nicht vorstellen kann oder sich einfach noch weiter vernetzen will, kann Angebote von diversen Yogastudios, Frauenzentren und qualifizierten privaten Anbietern für sich entdecken. Bei monatlichen Treffen, die sowohl offline als auch im Netz stattfinden, lernen hier Frauen den eigenen Zyklus, mit allen Höhen und Tiefen, zu verstehen und vielleicht sogar lieb zu gewinnen.
Der Ursprung von Frauen- oder Mondzirkeln liegt in indigenen Kulturen, wo Frauen und Mädchen sich traditionellerweise während der Periode gemeinsam zurückziehen und Kraft schöpfen konnten. Auch wenn man dem Zusammenhang zwischen Mond, Frauengruppen und dem Zyklus skeptisch gegenüber steht (denn die Wissenschaft kennt hierfür keine Beweise), können solche Gruppen doch wertvolle soziale Anknüpfungspunkte bieten. Auch hier gibt es mehr oder weniger esoterische Varianten, wie etwa den Nalina Wild Yoga Frauenzirkel in Berlin, die Wilde Urnatur Zykluswissen Workshops in Wien oder den regelmäßigen internationalen (und daher englischsprachigen) Online-Mondzirkel, den Karriere- und Beziehungscoach Julie Mosmuller seit einigen Jahren von der griechischen Insel Kreta aus leitet.
6. Männer nicht vergessen!
Ja, die Periode geht auch Männer und Buben was an. Schließlich schaden altväterische Rollenbilder allen Geschlechtern. Während es unter Männern schon als wichtig und sogar cool gilt, sich bei Sex und Verhütung auszukennen, hinkt das Thema Menstruation noch meilenweit hinterher. 2019 ergab, zum Beispiel, eine Umfrage von Ready for Red, dass nur jeder dritte Junge überhaupt weiss, was Menstruation ist!
Jetzt liegt es also an uns, die Herren der Schöpfung diesbezüglich aufzuklären und aufzulockern. Erdbeerwoche.com bietet reichlich Material zum Thema Menstruation & Männer und ist generell eine äußerst empfehlenswerte Plattform für alle, die lernen wollen, weniger krampfhaft mit der Menstruation umzugehen.
7. Die nächste Generation stärken
Als Mütter und Frauen haben wir die Chance das Bild der Menstruation nachhaltig zu beeinflussen. Vor allem für Mädchen ab 10 Jahren, denen die Periode demnächst bevorsteht, können offene Gespräche über den weiblichen Zyklus wahre Schlüsselmomente sein. Das Erlebnis der ersten Periode kann ein ganzes Leben prägen – da lohnt es sich durchaus, ein wenig vorbereitet zu sein. Ready for Red ist eine “Lernplattform zu Menstruation, Zyklus & Co” die auf lockere, humorvolle Art darauf abzielt, den Mädels von heute einen selbstbewussten, achtsamen Umgang mit der Periode zu ermöglichen – und uns Erwachsenen beizubringen, wie wir sie dabei am besten unterstützen. The Female Company bietet sogar eine wunderbar gestaltete Geschenkbox für die erste Periode an.
Am Ende des Tages ist doch alles eine Einstellungssache und eine Frage des Wissens über den Zyklus und den eigenen Körper. Damit kann sogar die Periode zu deiner wahren Superpower werden!
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