von Christine Klimaschka
Marmor, Stein und Eisen bricht, aber unsere Liebe nicht…oder?
Was steckt eigentlich hinter einer erfolgreichen Beziehung? Die Antwort ist klar und hat nichts mit dem Romantikkonzept, das uns seit Jahrzehnten in Rom-Coms aller Art nachhaltig vorgespielt wurde, zu tun. Hinter einer erfolgreichen Beziehung steckt vor allem eines: Arbeit.
Die jüngere Generation hat wohl mit der Vorstellung abgeschlossen, dass der Partner selbstverständlich perfekt sein muss, und zwar bis der Tod uns scheidet, und lässt sich Expert*innen zufolge früher als je zuvor auf Paartherapien ein. Und sie tun gut daran, denn wenn man einen Blick auf die Entwicklung einer statistisch erfassten Art der Beziehung, nämlich der Ehe wirft, sieht man, dass erfolgreiche Beziehungsarbeit ganz viel Luft nach oben hat:
Der Trend zum Heiraten ist laut EU Statistikamt EUROSTAT in den vergangenen sechs Jahrzehnten drastisch zurückgegangen. Waren es 1964 noch acht pro 1.000 Personen, fanden 2020 nur mehr 3,2 pro 1.000 Personen Eheschließungen statt. Gleichzeitig verdoppelte sich demnach allerdings die Scheidungsrate in diesem Zeitraum von 0,8 auf 1,6. Im Jahr 2021 lag die Gesamtscheidungsrate in Österreich bei 36,7 %, in Deutschland bei 39.9% Prozent.
Eine Paartherapie galt lange als Krisenmanagement, als etwas, das Menschen vorbehalten war, die jahrzehntelang verheiratet gewesen waren, deren Ehen begannen zu zerbrechen und ohne Intervention nicht zu erhalten waren. Heutzutage geht es aber bei vielen Paarbeziehungen bereits um Prävention: Immer mehr junge Menschen gehen in eine Paartherapie, weil sie diese als einen wichtigen Teil von Selbstfürsorge betrachten. So wie sie sich in Sachen Sport und gesunde Ernährung um ihren Körper kümmern, kümmern sie sich in der Therapie um ihre geistige Gesundheit und ihre Beziehung.
Im folgenden Gespräch mit der Berliner Paartherapeutin Marleen Theissen haben wir uns darüber informiert, was Paartherapie leisten kann, wie sie erfolgreich sein kann, wann sie nicht mehr greift und welchen Rat sie allen Menschen in einer Beziehung mit auf den Weg geben würde.
Warum Paartherapie?
Also grundsätzlich, um die Paarbeziehung zu verbessern. Das genaue Anliegen und das Ziel liegen natürlich individuell beim Paar, zum Beispiel kommen viele Paare mit dem Wunsch, die Kommunikation zu verbessern und weniger zu streiten. Oder nach der Geburt eines Kindes, weil dann weniger Zeit zu zweit da ist und man die Paarbeziehung wieder stärken möchte. Andere Gründe können aber auch ein Seitensprung sein oder eine bereits ausgesprochene Trennung, die den Anlass für eine Paartherapie oder Trennungsbegleitung geben.
Gibt es Studien, die belegen, dass unglückliche Beziehungen nachweislich negative gesundheitliche Auswirkungen haben?
Ich muss dabei an die Harvard Studien (Grant Study und Glücks Study) denken, die sich seit 80 Jahren mit der Frage beschäftigt haben, was macht Menschen glücklich? Das Ergebnis war sehr eindeutig, nämlich, dass vor allem die Qualität unserer Beziehungen einen starken Einfluss auf unsere Gesundheit und unser Wohlbefinden hat und dass sichere und auch tiefe Beziehungen oder Bindungen uns dabei unterstützen, auch schwierige Phasen und Konflikte besser zu überstehen und somit die mentale und auch die physische Gesundheit fördern oder unterstützen können.
Gibt es so eine Art Marker in einer Beziehung, wenn es Zeit ist für Paartherapie?
Das hängt meist davon ab, wie hoch der Leidensdruck ist, in dessen Folge man sich entschließt und bereit ist, externe Unterstützung zu suchen. Wenn Du mich fragst, wann vielleicht ein guter Zeitpunkt ist, ist meine Antwort: Es gibt eigentlich keinen schlechten Zeitpunkt. Einerseits kann man nämlich immer und auch schon sehr früh beginnen, mithilfe einer Paartherapie konstruktiv an einer Beziehung zu arbeite, auch wenn vielleicht noch gar kein besonders hoher Leidensdruck da ist. Da spielt der präventive Gedanke eine wichtige Rolle. Vielleicht zieht man in eine andere Stadt, oder es steht die Geburt eines Kindes an. Und dann sagt man präventiv, wir sprechen jetzt hier über unsere gegenseitigen Bedürfnisse, Ängste und Sorgen, um in dem Zusammenhang gar nicht erst in diese Konfliktspirale zu kommen.
Andererseits kann ein anhaltender oder wiederkehrender Konflikt sehr belastend für die Beziehung sein. Dies kann auch ein Marker dafür sein, sich Unterstützung durch eine Paartherapie zu suchen. Oder aber der oder die andere geht in die völlige Abwehrhaltung und sagt: “Nein, kommt nicht in Frage“.
Leider ist es fallweise immer noch so, daß Paartherapie für manche noch immer mit dem Stigma des Scheiterns verbunden ist.
Was macht man, wenn in einer Paarbeziehung, in der es Schwierigkeiten gibt, einer sich für die Paartherapie als Unterstützung ausspricht und der anderer das ablehnt?
Paartherapie funktioniert nur, wenn beide bereit sind, an sich selbst und auch an der Beziehung zu arbeiten. Es kann natürlich sein, dass der eine oder die andere eine größere Bereitschaft hat, oder einer es dem oder der anderen vielleicht auch ein bisschen zum Gefallen tut. Aber prinzipiell sollten wirklich beide bereit sein.
Wenn einer oder eine die Paartherapie komplett ablehnt, kann es auch manchmal hilfreich sein, alleine zum Beispiel mit einem Coaching zu starten. Da muss man sagen: “Okay, ich möchte das für mich gerade“. Vielleicht beobachtet man bei sich selbst negative Muster und fragt sich wie man selbst die Beziehungsdynamik positiv verändern kann. Dies eröffnet auch die Möglichkeit, später den Partner oder die Partnerin in den Prozess dazu zu holen. Also das heißt, es muss nicht direkt durch das Abblocken komplett die Möglichkeit an der Beziehung zu arbeiten, gestrichen werden.
Nehmen wir an, es kommen zwei Menschen zu dir, die sagen: “Wir haben ein Problem“. Was passiert dann?
Ich gehe zuerst einmal in das Gespräch mit dem Paar. Da mein Ansatz sehr ressourcen- und lösungsorientiert ist, frage ich zunächst: „Was soll nach der Paartherapie anders sein?“ Anschließend bespreche ich mit dem Paar aktuelle Probleme, Verstrickungen und welche Emotionen und verletzten Gefühle dahinter liegen. Der Prozess wird zum einen durch verschiedene Fragen, aber auch durch kleine Übungen oder Interventionen gestaltet, um noch mal die Perspektive zu ändern.
Wie schaffst Du es, eine positive Gesprächsatmosphäre, in der Dialog und Austausch vielleicht erst wieder möglich sind, zu etablieren?
Erst einmal ist es natürlich ein absolut sicherer und geschützter Raum, in dem sich auch beide wohlfühlen sollen. Weiters besteht auch für keinen irgendeinen Druck oder Zwang, sich zu offenbaren. Jeder teilt nur so viel, wie er oder sie möchte. Und oft ist es so, dass beispielsweise ein Partner oder eine Partnerin eine höhere Bereitschaft hat, sich zu öffnen. Das verleitet im positiven Sinn dann auch den oder die andere dazu, auch mehr zu teilen und auch gehört zu werden.
Paartherapie ist ein Prozess und manchmal dauert es einfach ein bisschen länger. Das ist auch völlig in Ordnung, solche Veränderungen passieren nicht von heute auf morgen.
Kannst du Beispiele nennen, mit welchen Problemen und Fragestellungen Paare zu dir kommen?
Die meisten meiner Klienten sind so in den Dreißigern. Das heißt, Kinder sind tatsächlich ein großes Thema. Zum einen der Kinderwunsch. Da erlebe ich häufig, dass bei einem Partner oder einer Partnerin der Kinderwunsch viel größer ist als beim anderen. Oder ein anderer möchte zwar auch Kinder, aber noch nicht jetzt. Dann geht es sehr stark darum, gegenseitiges Verständnis zu erreichen und die Vorstellungen von Familie da sind und welche Werte auch für eine Beziehung in diesem Zusammenhang dahinter liegen.
Ein anderes Thema ist es dann eben auch, wenn Kinder da sind. Zum einen haben sich die Rollen verändert, man ist Vater und Mutter geworden, aber gleichzeitig ist man auch noch ein Liebespaar in einer romantischen Beziehung. Wie kann man sich noch gegenseitig als Paar wertschätzen und Zuneigung geben, auch wenn wesentlich weniger Zeit zu zweit da ist?
Es geht in der Therapie auch um das Aufzeigen von Mustern, in denen man gefangen ist und die einen daran hindern, eine Lösung im Konflikt zu finden. Beispielsweise einer oder eine flüchtet nach einem heftigen Streit, geht raus, will weg, knallt die Tür hinter sich zu und braucht erstmal Ruhe, kann den eigenen Standpunkt vielleicht noch gar nicht gut in Worte kleiden. Und die andere Person ist eher wie so ein Verfolger, möchte sofort etwas lösen. Wenn wir jetzt bei dem Bild bleiben, klopft an die Tür und möchte das sofort besprechen. Und das ist natürlich für beide sehr frustrierend, weil die eine Person zieht sich zurück und braucht gerade mal Ruhe oder Zeit für sich und die andere Person braucht sofortige Aktion. Es geht dann in der Therapie genau darum, diese Muster aufzuzeigen und festzustellen, welche Bedürfnisse stehen dahinter? Und auch darum festzuhalten, dass auch beide völlig berechtigt sind. Dafür muss gegenseitiges Verständnis geschaffen werden und dann findet man einen Zugang, wie die Situation konkret gelöst werden kann. Beispielsweise kann es sein, dass sich beide darauf einigen zu sagen: “Wir lassen uns jetzt einmal 30 Minuten mindestens in Ruhe. Und schauen dann, ob wir uns beruhigt haben und ob wir sozusagen in einem ruhigeren Moment wieder über das Thema sprechen können.“ Es geht um dieses Aushandeln, auch für die Person, die diesen Impuls hat, das schneller zu klären. Wie kann sie für sich selber sorgen, um das auszuhalten, dass es jetzt erstmal diese Auszeit gibt?
Kann man sagen, dass Paartherapie generell etwas ist, das einen als Mensch, als Individuum positiv befähigt, so dass man sich selber weiterentwickelt, was auch immer man danach macht. Man hat auf jeden Fall etwas für das Ich, im besten Fall für das Wir getan?
Gerade in Beziehungen können wir uns selbst noch besser kennenlernen und auch unsere eigenen Verhaltensmuster noch besser erkennen. Deswegen kann eine Paartherapie natürlich dabei helfen, das eigene Verhalten und auch die dahinter liegenden Gefühle besser zu verstehen. Wir bekommen dort Denkanstöße oder erarbeiten mögliche Verhaltensänderungen. Das ist natürlich sehr förderlich für die eigene Persönlichkeitsentwicklung und kann auch dabei helfen, nicht nur die Paarbeziehung zu verändern oder zu verbessern, sondern man erhält auch noch einmal einen neuen Blick auf andere zwischenmenschliche Beziehungen, zum Beispiel auf Freundschaften oder die Familie.
Wann ist es Zeit, eine Beziehung zu beenden? Wann hat man sich genug bemüht?
Wann es wirklich nicht mehr weitergeht, erkennt man daran, wenn ein Partner oder Partnerin innerlich die Beziehung aufgegeben und bereits damit abgeschlossen hat. Oder wenn beispielsweise eine Außenbeziehung eingegangen wird und man auch nicht bereit ist, diese aufzugeben. Meiner Erfahrung nach kann auch eine Paartherapie dann nicht mehr helfen, die Beziehung aufrechtzuerhalten.
Ist es richtig, dass es einen Trend gibt, dass immer mehr jüngere Menschen in Paartherapie gehen? Was sind deiner Meinung nach die Gründe dafür?
Ich kann das aus meiner täglichen Arbeit her bestätigen, weil ich viele junge Paare Anfang/Mitte 20 begleite. Im Austausch mit Kolleginnen, die bereits seit vielen Jahren als Therapeut*innen tätig sind, wird mir das auf jeden Fall bestätigt.
Meines Erachtens besteht in der jüngeren Generation eine große Offenheit dafür, das eigene Verhalten zu reflektieren, auch in Beziehungen. Grundsätzlich erlebe ich auch, dass es mittlerweile gesellschaftlich weit mehr akzeptiert wird, sich Unterstützung in schwierigen Lebensphasen zu suchen.
Wie kostenintensiv ist Paartherapie?
Eine Paartherapie Sitzung dauert in der Regel ein bisschen länger als eine Einzelsitzung, in der Regel 90 Minuten. Man kann mit Preisen zwischen 100,- bis 300,- € rechnen. Die Anzahl der Sitzungen ist abhängig davon, was das konkrete Anliegen ist und wie intensiv es bearbeitet werden soll. Und das bestimmen die KlientInnen selbst.
Was ist es, das dich zum Beruf der Paartherapeutin hingezogen hat?
Es bereitet mir besondere Freude, wenn Paare zu mir kommen, in vermeintlich sehr festgefahrenen Situationen. Und diese Paare dann dabei zu begleiten, die Perspektive zu öffnen und wieder gegenseitiges Verständnis, eine gemeinsame Ebene zu erreichen, das motiviert und erfreut mich sehr.
Ich habe ursprünglich BWL studiert und habe dann auch schon im Job eine Ausbildung zum Personal und Business Coach gemacht. Das heißt, ich habe erst einmal die Coaching Schiene abgedeckt und damit wirklich auch meine Leidenschaft entdeckt, Menschen in herausfordernden Situationen oder schwierigen Lebensphasen zu unterstützen. Und ich habe dann bereits auch eine Nebentätigkeit angefangen als Beziehungscoach und mich damit auf Beziehungen spezialisiert. Mich haben seither zwischenmenschliche Beziehungen fasziniert und ich habe dann auch noch die Paartherapie Ausbildung gemacht.
Wenn Du den einen Rat an alle Paare hättest, was würdest du ihnen sagen?
Es sind zwei Sachen: Das eine ist, tatsächlich offen über die eigenen Bedürfnisse und Gefühle zu sprechen, also wirklich in die Kommunikation zu gehen. Und wenn das schwerfällt oder nicht funktioniert auf jeden Fall offen dafür sein, sich Unterstützung zu suchen. Dabei gilt: Nicht zu lange warten, Prävention geht vor Intervention.
Im Gespräch mit
Marleen Theissen ist Paartherapeutin und Coach aus Leidenschaft sowie eine Enthusiastin für gute Beziehungen. Als sie bemerkte, wie stark mein persönliches Wohlbefinden durch ihre zwischenmenschlichen Beziehungen beeinflusst wird, begann sie sich intensiv mit Bindungspsychologie und der Beziehung zu sich selbst auseinanderzusetzen. Seitdem ist sie überzeugt davon, dass jede:r lernen kann, eine glückliche Beziehung zu führen. Um auch andere Menschen dabei zu unterstützen, erfüllte Beziehungen (zu sich selbst) zu führen, ließ Marleen sich als als Paartherapeutin und systemischer Coach weiterbilden. Sie möchte durch ihre Arbeit Menschen mit ihrer Expertise dabei begleiten, glückliche und erfüllte Beziehungen zu führen, um ihr Wohlbefinden als Einzelperson oder/und als Paar zu steigern.
Mehr Informationen zu Marleens Arbeit findest du auf ihrer Website
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