von Lisa Reinisch
Etwas Neues zu lernen gehört wohl zu den grundlegendsten Erfahrungen unseres Lebens. Für Kinder ist lernen eine der Hauptbeschäftigungen, doch je älter wir werden, desto mehr rückt dieser Aspekt in den Hintergrund. Die spielerischen, genüsslichen Verhaltensmuster von damals werden mit der Zeit von Leistungsdruck und Bewertung überschattet. Für viele Erwachsene gehören Wettkampf und Gruppenzwang dann einfach zum Programm – selbst in der Freizeit. Wer schon einmal verkrampft auf der Yogamatte gelegen oder frustriert den Trainingsplatz verlassen hat, weiss worum es hier geht.
Was überraschen mag: Viel von diesem inneren Stress, der uns selbst in unsere vermeintlich entspannenden Auszeiten verfolgt, hängt mit der Sprache zusammen, mit der wir es in Lernsituationen zu tun haben. Denn Lehrer und Lehrerinnen aller Art triggern – oft völlig unbewusst – Stress und Selbstzweifel in uns. Diese Negativität drückt auf den Lernerfolg und schmälert unsere Freude an der Sache.
Viele Trainer und Trainerinnen sind allerdings davon überzeugt, dass Sport nicht Mord sein muss. Sie kultivieren eine positive, wertfreie Sprache, um das Potential ihrer Trainees zur Entfaltung zu bringen. Ganz nebenbei, einfach weil es so gut tut einmal nicht bewertet und unter Druck gesetzt zu werden, kann eine behutsame Wortwahl in Lernsituationen uns nachhaltig positiv prägen und uns auch im Alltag helfen.
Wie Lernen mit neutraler Sprache funktioniert und warum Loben eigentlich keine gute Idee ist haben wir im Gespräch mit Suzanne Freiherz erfahren. Nach einem Sprachwissenschaftsstudium und dem Abschluss einer traditionellen Yoga-Ausbildung, entwickelte sie zusammen mit ihrem Mann Tom ein Esoterik-freies Trainingsprogramm namens Yuna. Neben Körper- und Mindtraining spielen bei Yuna auch Positivität und Sprachbewusstsein eine zentrale Rolle.
Wie wirken sich Sprache und Wortwahl auf den Lernprozess aus?
Die Sprache in der Yoga- und Fitnesswelt, genau wie unsere Gesellschaft als Ganzes, voller Leistungsdruck, voller Levels, voller Wertung. Das schöne an der Sprache ist, dass sie das Herz anspricht, nicht nur den Kopf, und es tut so gut, wenn der Körper diese Positivität und Wertfreiheit verinnerlicht.
Denn Worte erschaffen wirklich Welten. Ich kann mit der Sprache eine Welt schaffen, wo Menschen unter Druck geraten – oder eben nicht. Gerade auch in der Ausbildung kann ich eine Sprachwelt erschaffen, wo Menschen ermutigt und gestärkt werden, oder wo sie immer das Gefühl haben, ich weiss noch nichts, es gibt noch so viel zu lernen. Das stimmt natürlich immer, für uns alle. Aber es geht stark um die Einstellung: Bin ich da neugierig drauf? Traue ich mich, die “Comfort Zone” zu verlassen? Habe ich richtig Lust, was Neues aufzusaugen und dann zu gucken, was davon kann ich rausnehmen und was kann ich mitnehmen? Ich achte im Unterricht stark darauf, keine Welt zu erschaffen, in der es heisst: “Ich bin die Lehrerin, ich weiss schon alles und ihr müsst es von mir lernen.” Da entsteht dann eine Trennung zwischen mir und der Gruppe, oder zwischen Menschen generell. Gerade wenn es um Schwierigkeiten, Unsicherheiten und Emotionen geht.
Im Yogaunterricht und im Fitnesstraining hört man das sehr oft, wie sich Lehrer und Lehrerinnen durch die Sprache, die sie verwenden, von der Gruppe abgrenzen.Wir haben schon so viel Trennung in der Welt. Wir hören eh immer, wir müssen besser, schneller, und fitter und schlanker sein, als all die anderen. Statt einmal zu sagen, wir sind alle gemeinsam unterwegs, wir haben alle unseren eigenen Prozess, unser eigenes Tempo.
Ich bin wirklich zutiefst davon überzeugt, dass alles seinen Wert hat und dass alles ein Ausdruck des Lebens ist. Da ist es wichtig, das durch die Sprache zu integrieren.
Ich glaube dass Sprache eine Welt erschaffen kann, wo wir alle Platz haben, wo wir uns alle wertvoll fühlen und wo wir alle auch mal sein dürfen, wie wir wirklich sind. Das ist eigentlich mein Hauptanliegen, wenn ich Sprache verwende. Wenn was gut tut, nimmt man es mit ganzem Herzen auf, wie ein Schwamm.
Was sind denn Beispiele von unbewusst negativen Redewendungen, die bei Yuna nicht vorkommen?
Ein Klassiker wäre die Aussage: “Eine Seite ist immer steifer als die andere.” Das ist lieb gemeint, das soll eigentlich ermutigen. Aber natürlich höre ich dann “steif” und was verbinde ich damit? Bei Sprache ist es so: jedes Wort, das ich höre, verkörperliche ich sofort, setze es in meinem Körper um. Die Verkörperlichung geht so weit, dass wir mit wärmenden Worten Vertrauen schaffen können. Eben da hätten wir die Möglichkeit zu sagen: “Eine Seite ist immer offener als die andere.” Der gleiche Satz, nur ein Wort vertauscht. Und plötzlich ist die Offenheit da, dafür ist die innere Wertung weg. Statt, “Oh, das ist meine steife Seite, da muss ich noch hart dran arbeiten!”, heisst es dann, “Ah, eine Seite ist offener, ich bin okay so wie ich bin!” Das ist eine völlig andere Welt.
Was man auch oft hört ist: “Wenn das zu schwer/anstrengend/fortgeschritten ist, dann könnt ihr ja diese andere Bewegung machen.” Dann ist man gleich in diesem inneren Modus: “Ich krieg das nicht hin, jetzt muss ich diese Anfängerinnen-Variante machen.” Man fühlt sich nicht genug und das kennen wir aus dem Alltag wirklich zur Genüge. Dieses “nicht genug” wird sowieso stark in unserer Gesellschaft gelebt. Das ist genau der Alltagsstress, dem wir eigentlich entkommen wollen.
Wenn ich dann sage: “Mach’ mal das und spüre’ nach, wie sich das anfühlt. Und dann probier’ mal das, wenn du das änderst, wie fühlt sich das an? Und jetzt wählst du, was dir mehr Freude macht.” Auf diese Art gebe ich keine Wertung her. Dadurch entsteht bei den Menschen so eine innere Freiheit, die fangen dann an so nach Lust und Laune zu entscheiden.
Das ist auch etwas ganz Wichtiges, was Sprache kann: dass Menschen wieder anfangen auf sich zu hören und der eigenen Wahl zu vertrauen. Denn da tut sich im Alltag viel. Es ist zwar schön und gut sich mal eine Stunde glücklich zu fühlen aber ich möchte keine heile Welt für eine Stunde erschaffen. Ich möchte, dass das pures Training für den Alltag ist. Dass wir dann auch wenn jemand im Alltag auf uns einquakt, gelernt haben zu sagen: “Moment, ich weiss ja wohl für mich selber zu entscheiden.”
Aber geht das wirklich immer und was tun, wenn’s einmal nicht klappt?
Es geht natürlich nicht darum so zu tun, als wäre das Leben eine einzige Blumenwiese. Das ist nicht das Leben. Wir üben stattdessen, dass wir uns nicht so sehr von den Hochs und Tiefs mitsaugen lassen, sondern ein inneres Gefühl von Stabilität haben, wo wir immer nach Hause kommen können, egal was gerade los ist.
Wenn bei einer Klasse Stimmungen aufkommen, zum Beispiel, ganz klassisch, bei Balance-Haltungen wo Menschen raus purzeln und sich ärgern. Dann sage ich immer, wenn Ärger da ist, ist das fein. Aber jetzt kommt die Entscheidung: möchte ich da weitermachen und mich weiter ärgern? Wie hilfreich ist das? Bringt mir das mehr Balance? Macht das Spass? Bringt es mir im Leben irgendwas? Wenn ich dann darauf komme, nein, eigentlich gibt es eine andere Option. Ich könnte die Mundwinkel hochziehen, lächeln und ein bisschen Humor mit mir selber haben.
Die wichtigste Message ist: alle Emotionen sind okay, sind willkommen. Es ist immer nur die Frage, wie sehr lasse, zum Beispiel, dem Ärger die Kontrolle über mein Leben? Bei Yuna geht es viel um Intuition aber auch viel um Logik, gerade wenn es um Emotionen geht.
Was wir nirgends lernen, nicht in der Schule, nirgends, ist: Wie gehe ich mit meinen Stimmungen um, so dass es nährend und hilfreich ist? Da hilft die Logik und die innere Frage: hilft mir das, ja oder nein? Ärger kann ja auch sehr hilfreich sein. Wenn zum Beispiel jemand sagt, “Das schaffst du nie.” Dann brodelt es hoch und dann sagst du, “Na, jetzt erst recht!”
Du bist kein Fan von Lob: warum?
In der Gruppe oder in der Ausbildung möchte ich immer bestärken, aber nicht loben, weil Lob einfach Abhängigkeit schafft. Das ist genau die Dynamik, die ich vermeiden will. Diese Rolle einer Lehrerin, die ich brauche, weil die sagt mir was gut für mich ist. Sowas kommt im Yoga und in Fitnesswelten schnell auf – genauso wie generell in Unterrichtssituationen. Sobald ich mal zu jemandem sage, “Oh, das hast du aber toll gemacht”, fühlt sich das erst mal gut an. Oh, ich bin gelobt worden! Aber wenn ich beim nächsten Mal nichts sage, dann fällt das alles wieder in sich zusammen. Dann ist dieser Mensch nicht mehr im Körper, im eigenen Mindset. Dann grübelt dieser Mensch nur mehr, was habe ich jetzt falsch gemacht, dass ich diesmal kein Lob bekommen habe? Dann sind wir schon wieder bei: “Irgendwas an mir ist falsch. Irgendwas an mir ist nicht genug.” Dann beginnt sich der Lernprozess um dieses Suchen nach Lob zu drehen, statt sich auf das zu konzentrieren, worum es uns eigentlich geht. Deswegen ist Lob nicht so positiv wie man oft glaubt und deswegen gibt’s das bei mir nicht - auch wenn das etwas hart klingt.
Die Pandemie hat einen Online-Trainings-Boom ausgelöst. Wie siehst du deine Aufgabe in Zeiten von Pandemie und Lockdown?
Seit 2013 haben wir einen grossen Teil der Yuna-Ausbildung online. Wir haben damals sehr schnell gemerkt, okay, das geht ja viel besser als live! Wir waren völlig fasziniert und erstaunt, wie dieser Lernprozess funktioniert hat. Es liegt einfach daran, dass die Menschen lernen können wann sie wollen, dass sie vor dem Bildschirm voll präsent sind und dass sie Inhalte immer wieder anschauen und anhören können. Mit der Wiederholung verinnerlicht man Dinge ganz anders und wir haben wirklich gemerkt, dass die Live-Tage gar nicht so wichtig sind - wir haben sie schon vor der Pandemie gekürzt. Online Learning ist nicht unpersönlich, wie die Menschen manchmal sagen. Genau eben nicht. Wir merken, dass sie viel besser verstehen worum es uns geht, dass es da eine starke Connection gibt und wenn wir dann live zusammenkommen, ist es so, als würden wir uns kennen.
Wenn ich eine Klasse unterrichte, gehe ich auf die Themen konkret ein, die da sind - ohne jetzt das Label “Pandemie” drauf zu hängen. Die Belastungen, der Druck, die Stimmungen, alles was da so mitkommt – da versuche ich positive Inputs zu geben und aufzubauen. Wir stehen mit Yuna ja genau dafür, dass wir alle miteinander verbunden sind. Es ist egal, wie weit wir physisch voneinander entfernt sind, die menschliche Verbindung ist unabhängig von der körperlichen Distanz. Die Pandemie zeigt das sehr stark auf, dass wir uns zu unseren Lieben und selbst zu Fremden auch auf Entfernung stark verbunden fühlen können. Plötzlich blühen da menschliche Qualitäten auf, die früher nicht so wichtig erschienen. Es hat selten so viel Hilfsbereitschaft gegeben, wie jetzt. Zu lernen, Hilfe anzubieten und Hilfe anzunehmen, ist ein ganz wichtiges Ding. Das funktioniert jetzt, Dank der Pandemie, ganz anders. Jetzt halten wir zusammen, jetzt schaffen wir das gemeinsam. Ich glaube, dass das die Pandemie für uns macht: Sie zeigt uns neue Sichtweisen auf und fordert Qualitäten in uns, die jetzt gebraucht werden.
Unsere Expertin
Suzanne Freiherz ist Mental- und Fitnesstrainerin, Sprachwissenschafterin, Podcasterin, Gründerin von YUNA® (yuna.at) und Coach für positive Kommunikation. Neben Körper- und Mindtraining spielen bei Yuna auch Positivität und Sprachbewusstsein eine zentrale Rolle.
Suzanne und ihr Mann Tom bieten eine gratis Online-Aktion „Machen wir das Beste daraus“ - große Empfehlung!
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