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Die Künstlerin in mir

TEXT: CHRISTINA KAISER


Hast du schon mal daran gedacht deinen Beruf aufzugeben und einen künstlerischen Beruf zu wählen, weil du dann freier wärst und du denkst, dass kreatives Arbeiten dich mehr erfüllen würde? Gerade die Millennial Generation verspürt den Drang ihre Karriere danach auszurichten, was sie eben im Moment erfüllt. Daraus entstand auch der Ausdruck "Portfolio Karriere". Eine erfolgreiche Berufslaufbahn muss nicht länger von der Einschränkung auf ein einziges Arbeitsfeld oder eine Branche gekennzeichnet sein. Stattdessen können sich auch unterschiedliche Teilzeit-Projekte zu einer sehr erfolgreichen Karriere addieren, die sich durch Flexibilität und vor allem Begeisterung auszeichnet.


Julia von Werz Architektin

Aber bevor du dich ins Abenteuer stürzt, stellen wir die Frage: Wie ist das nun einen kreativen Beruf auszuüben? Architektin und Designerin Julia von Werz gibt uns Einblick in den kreativen Beruf und die Herausforderungen einer künstlerischen Karriere.



Du bist Architektin und Produktdesignerin und blickst dabei auf 20 Jahre Erfahrung zurück. Wie kam es dazu, dass du dich für eine kreativ/künstlerische Karriere entschieden hast?


Mit 15 wusste ich eigentlich schon, dass ich Architektin werden möchte. Ich hatte eine fantastische Kunstlehrerin in der 4. Klasse Grundschule, die hat mich gefördert, das war sehr maßgebend. Ich kann mich an einen entscheidenden Moment erinnern. Wir mussten Pferde zeichnen. Alle Freunde hatten die Pferde ganz schön nachgezeichnet und ich hatte sehr expressionistische Klekse gemalt, weil ich weder gerne noch besonders gut zeichnen konnte. Ich wollte meine Arbeit gar nicht zeigen, es war mir irgendwie total unangenehm. Diese Grundschullehrerin hatte dann genau mein Bild aufgehängt und gesagt, dass man Aufgaben unterschiedlich interpretieren kann und plötzlich war ich richtig stolz. Das war ein Scheidepunkt, ich hab es auf meine Art gemacht und das war ok!


Höre hinein in das Gespräch mit Julia von Werz



Gibt es Eigenschaften, die einen Designer als besonders herausstechen lassen?


Was wichtig ist, ist "outside the box" zu denken. Dabei neue Wege zu gehen und aufzuzeigen, dass es auch anders geht.

Große Designer haben gemeinsam, dass sie etwas Neues geschaffen haben, etwas, was noch nie jemand davor so gesehen hat.

Zum Beispiel das Münchner Fußballstadion, das die Architekten Herzog und de Meuron geplant haben, ist unglaublich, sie haben ein Stadion komplett anders betrachtet und neu definiert.



Unterscheidest du kreatives Arbeiten von künstlerischem Arbeiten?


Für meine Arbeit fühlt es sich wie dasselbe an, weil die Kreativität mit dem Künstlerischen, aber auch dem Innovativen, dem Neuen verschmilzt. Ich denke allerdings, dass es in jedem Job einen kreativen Part gibt. Das Künstlerische ist spezifischer und künstlerischen Berufen zuzuordnen - es ist das, was du umsetzt wie eine Skulptur oder ein Gebäude.



Woher nimmst du deine künstlerische Inspiration? Wie organisierst du deinen Arbeitsalltag?


Ich bin ein sehr intuitiver Mensch, daher passiert Inspiration einfach. Ich sehe ein schönes Blatt, eine Struktur, Farben und die geben mir ein besonderes Gesamtbild. Ich mache davon Fotos, oder eine kurze Skizze und male es auf um es später in meiner Arbeit einfließen lassen zu können. Was mich als Architektin von einer freien Künstlerin unterscheidet ist, dass ich klare Aufträge habe, mit klaren Strukturen. Es gibt Vorgaben und Wünsche des Kunden und am Wichtigsten ist, es gibt einen Raum. Ich muss in dem Raum stehen, und davon lasse ich mich inspirieren. Die Ideen kommen dann einfach.


Als meine Kinder klein waren, da war ich allerdings ganz leer, da kam nichts, da hatte ich eine richtige Blockade. Ich habe das von vielen Kolleginnen und Freundinnen auch gehört. Der Kopf ist plötzlich so voll mit anderen Dingen.

Eine Auswahl von Produktdesigns von Julia von Werz


Also braucht kreatives Arbeiten eine Art von Spiritualität?


Absolut. Wenn du nicht bei dir bist, dann schaffst du das nicht. Das zeigt auch meine Erfahrung als ich eine junge Mutter war.



Was denkst du darüber, wenn Menschen mitten im Leben beschließen sich zu verändern und ihre künstlerische Leidenschaft zum Beruf zu machen?


Wenn ein Drang da ist, quasi ein Feuer in dir brennt, dann finde ich es sehr wichtig seinen Wunsch zu realisieren, sich zu vertrauen, bei sich zu sein und dieser Leidenschaft zu folgen.

Was viele Leute vergessen ist allerdings, dass man trotz Leidenschaft oft Durststrecken hat und dass es schwierig ist und man etwas hart erkämpfen muss. Es ist nicht immer nur kreativ und frei! Diese Realität muss einem schon bewusst sein. Das Künstlerische wird oft von Außenstehenden verherrlicht. Es ist auch im kreativen Beruf ein langer Prozess herauszufinden wie man es am besten macht, was man am besten macht. In jedem Beruf gibt es Durststrecken.


Wenn du z. B. ein Buch schreibst, dann kommt auch sicher der Moment, wo du mal nicht produktiv sein kannst. Es ist eben nicht immer Friede, Freude, Eierkuchen, auch nicht in der Kreativität!

Wir leben in der Millenniumgesellschaft wo man sagt: "Ich möchte nur das machen, was Spass macht, was sich gut für mich anfühlt." Da glaube ich nicht ganz daran. Du musst dir etwas erarbeiten um herauszufinden wie du es am Besten machst.





Viele von uns sind aufgewachsen mit der Aussage, dass Kunst dich nicht ernährt. Quasi nach dem Motto: "Lerne etwas Gescheites!". Ändert sich hier etwas?


Meinen Kindern wird ständig gesagt: "Greif nach den Sternen!" Meine Eltern sagten: "Greif bloß nicht nach den Sternen, nicht, dass du enttäuscht wirst!" Ich glaube die Generation unserer Kinder bekommt hier mehr Unterstützung und Selbstbewusstsein. Eine Bekannte erzählte mir erst neulich, dass wenn es damals schon Instagram gegeben hätte, dann hätte sie gesehen, was andere machen, welche unterschiedlichen Wege man erfolgreich gehen kann. Diese Information zu bekommen und dabei auch sehen zu können wo man rein passt, hätte ihr deutlich mehr Selbstvertrauen gegeben.


Bist du glücklicher, wenn du kreativ arbeiten kannst? Schreibe uns an hallo@mygiulia.de

Wir sind gespannt, was du über dieses Thema denkst!



*Fotogalerie: Copyright Christoph Stepan, Juliane Spaete und CB2

 

Unsere Bücherempfehlungen

Willst du mehr über kreatives Arbeiten wissen?



 

Im Gespräch mit


Julia von Werz

Julia von Werz studierte Architektur in Wien und Berlin. Sie war bei Architekturbüros wie Eisenman Architects, Adjaye Associates and Koch & Partner in New York, London, München and Hanoi tätig. Heute leitet sie selbstständig Innenarchitekturprojekte. Unter anderem kreiert sie private Residenzen, Restaurants, Geschäftsräume und Spas. Julia ist Produktdesignerin, sie designte eine eigene Möbellinie für Crate & Barrel.

Mehr Informationen findest du hier: www.juliavonwerz.com oder Instagram

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