top of page

Rike Hofmann - Von Bildern zu Vorbildern


von Eszter Julia Ambrózi


“100 Women” heißt das Projekt der Illustratorin Rike Hofmann. Mit bunten Porträts im Comicstil stellt sie uns bedeutende weibliche Persönlichkeiten aus der Geschichte vor. Beim Blick durch die Porträts fällt auf, dass viele der Frauen zwar Unglaubliches geleistet haben, aber ihre Namen nicht so bekannt sind, wie man glauben würde.


Illustrationen von Rike Hofmann | Greta Thunberg, Audre Lorde,  Hedi Lamarr
Copyright: Porträts von Rike Hofmann

Dass die Geschichtsschreibung von patriarchalen Strukturen geprägt ist, ist bekannt. Frauen kommen schlicht und einfach nicht so oft in den Geschichtsbüchern vor, wie es ihnen eigentlich zustehen würde. Erst ab dem 20. Jahrhundert nahm die Zahl der großen weiblichen Figuren in der Öffentlichkeit merkbar zu. Es gab sie natürlich auch davor schon, aber es wurde nicht über sie geredet. Was zur Folge hatte, dass Frauen keine Vorbilder hatten, die ihnen ihre Möglichkeiten vorgelebt oder sie inspiriert haben.


Genau deshalb ist es wichtig, den Blick über die Geschichtsbücher hinaus zu erweitern.

Rikes Porträts sind eine Sammlung von weiblichen Persönlichkeiten, Frauen wie Debbie Harry, Yoko Ono, Greta Thunberg oder Audre Lorde, die alle etwas Besonderes an sich haben und zum Hinschauen einladen.


Ob berühmt oder weniger bekannt - Frauen aus allen Kategorien stehen hier im Mittelpunkt und sollen beim Betrachter die Neugier auf die Geschichte der Person erwecken. Rike Hofmann rückt sie ins Rampenlicht. Sie spricht mit einer ansteckenden Begeisterung von den Dingen, die sie dazu antreiben, diese Geschichten zu erzählen. Bei einer Tasse Tee erzählt uns die Künstlerin über ihre persönliche Reise mit den 100 Frauen und was sie durch sie gelernt hat.



Wann hast du entschieden, dich ganz der kreativen Arbeit zu widmen?


Kreativität war schon seit meiner Kindheit ein Teil meines Lebens, ich hatte nur gar keine Vorbilder. Wahrscheinlich liegt auch hier die Wurzel des Projektes “100 Women”. Ich habe niemanden um mich herum gehabt, der oder die als Künstler*innen gearbeitet und gelebt haben. Das heißt, ich war der totale Freak in meiner Familie. Aber es war von Anfang an glasklar für mich, dass ich in die künstlerische Richtung gehen werde.


Nach der Ausbildung bin ich ganz klassisch zu einer Werbeagentur gegangen, habe aber ziemlich schnell gemerkt, dass ich überhaupt nicht der Typ dafür bin. Es war einfach sehr weit weg von dem, was ich machen wollte. Dann habe ich einen Mann kennengelernt, bin nach Wien gekommen und habe mit ihm eine andere Art des kreativen Arbeitens kennengelernt. Wir haben uns gut ergänzt. Ich habe in der Freiberuflichkeit angefangen, aber ich habe mir zunächst nicht zugetraut, selbstständig zu werden und wirklich mein eigenes Ding zu machen. Ich glaube, dass das mit der Biografie von vielen Frauen Parallelen hat.

Wir können uns schwer abgrenzen und gleichzeitig fehlt uns das Grenzenlose. Wo grenze ich mich ab und wo gehe ich über Grenzen hinüber?


Copyright: Porträts von Rike Hofmann



Was hat dich zu den 100 Frauen geführt?


Es waren anfangs auch Männer, aber mit der Zeit habe ich immer mehr aussortiert und bin konkreter geworden. Ich habe gemerkt, dass ich, wenn ich ehrlich bin, einfach Frauen malen möchte, ganz aus mir heraus. Und dann kam die Idee, wieso nicht 100 Frauen, einfach mal als Projekt für mich? Ich bin inzwischen der festen Überzeugung, dass es mehr als 100 Frauen werden. Ich glaube nicht, dass ich aufhören kann. Zu Beginn habe ich teilweise, wenn auch nur als Scherz, von Bekannten gehört, “100 Frauen? Na, das wird schwierig!”


“Über Frauen wird einfach nicht genug geredet.”

Ich dachte anfangs auch, dass es nach einer Zeit schwierig werden könnte, aber da zeigt sich wieder, welches strukturelle Problem wir hier haben.

Mir hat sich ein ganzes Universum aufgetan, in jedem Bereich. Mein erster Impuls war, mir selbst die Schuld zu geben, dass ich zu wenig weiß, aber nein: über Frauen wird einfach nicht genug geredet. Sie tauchen nicht auf, werden nicht erwähnt, werden übersehen. Es gibt so viele Frauen, die so irres Zeug gemacht haben und wir wissen nicht von ihnen, weil es einfach nicht in unserem kulturellen Denken verankert ist. Es ist nichts anderes. Ich stoße andauernd auf Frauen, bei denen ich mich frage, wieso ich deren Biografie noch nicht gekannt habe. Selbst aus Zeiten, in denen Frauen nicht einmal annähernd die Ressourcen hatten wie heute und sich trotzdem Unglaubliches erkämpft haben. Es ist schockierend. Gleichzeitig tut es so gut. Es ist phänomenal, was ich an Biografien und Mut machenden Geschichten finde. Und natürlich ist es toll, zu hören, dass es auch andere Frauen inspiriert.



Das klingt nach einem schönen Prozess des Lernens, Erzählens und Teilens… Hast du Kriterien, nach denen du auswählst?


Sie muss mich irgendwie ansprechen. Auch optisch, wobei das nichts mit dem klassischen Begriff der Schönheit zu tun hat. Es gibt für mich nichts Faderes als einfach nur schöne Frauen zu malen.

Je ausdrucksstärker das Gesicht, je gelebter, desto spannender. Natürlich muss auch etwas da sein, was mich persönlich anspricht, etwas, was mich reizt. Und ich finde es toll, wenn die Biografie etwas Spezielles hat.


Ich versuche viele Bereiche abzudecken; Frauen in der Kunst, Technik, im Aktivismus… Ich möchte divers sein, was Hautfarben, aber auch Abilities angeht. Und dabei ist jedes Porträt wie ein intimes Gespräch, das ich mit dieser Frau führe. Eine Reise.

Oft weiß ich auch gar nicht, wie das Endprodukt aussehen wird.


Ich habe Aphantasia, das heißt, ich kann mir Dinge nicht bildlich vorstellen. Wenn jemand zu dir sagt, “stell dir einen rosa Elefanten vor”, siehst du ihn in den meisten Fällen vor dir. Ich nicht. Somit beginnt mit jedem Porträt eine Reise. [ein sehr natürlicher Prozess.] Ich sehe nicht genau vor mir, wie das Bild wird, es entsteht im Moment, in dem Gespräch. Ich freue mich dann meistens wahnsinning über das fertige Produkt, weil ich selber baff bin!



Wohin geht für dich die Reise? Hast du ein Ziel mit dem Projekt?


Natürlich wäre es toll, auszustellen. Aber ich lasse die Dinge gerne auf mich zukommen, irgendwie findet mich dann meistens das Richtige zum richtigen Zeitpunkt.


Es ist mir wichtig, ein großes Spektrum an Vorbildern zu zeigen, teilweise weil ich so wenige in meiner Jugend hatte. Das ist vielleicht auch das Ziel des Projektes. Immer noch leisten Frauen Unglaubliches und in den Medien wird über ihr Outfit oder Aussehen gesprochen. Dabei ist da so viel mehr zu sehen. Die Geschichten dieser Frauen erzählen uns, wie weit wir gekommen sind und wie weit wir noch gehen können. Und wenn sie nun mal nicht gleichermaßen in den Geschichtsbüchern stehen wie Männer, erzählen wir die Geschichten auf anderen Wegen.



 

Information zur Auswahl unserer Interviewpartner*innen


Wir lieben es, Frauen medial sichtbar zu machen und wählen unsere Interviewpartner*innen immer aus Überzeugung, unabhängig und in Absprache mit unseren Journalistinnen aus. Unsere Interviews und Artikel sind niemals bezahlt, keine der Marken hat uns dazu beauftragt.

 

Im Gespräch mit


Rike Hofmann ist gebürtige Berlinerin, wo sie auch ihre Ausbildung am Lette Verein für Grafikdesign gemacht hat. Der Liebe wegen zog sie vor einigen Jahren nach Wien.

In ihrer Arbeit widmet sich Rike gern dem Lebendigen und besonders dem Menschen.


Mit dem Projekt WE LOVE YOU ALL präsentiert sie liebevoll die klassischen Figuren des Alltags großer Städte und in 100 WOMEN, ihrer Porträtserie, malt sie mit jedem Porträt einen Liebesbrief an eine inspirierende Frau.


Unterstütze unser Magazin!

Das myGiulia Magazin ist unabhängig und werbefrei. Wir glauben an wertvolle journalistische Arbeit und möchten unsere Inhalte weiterhin allen frei zugänglich machen. Dafür brauchen wir deine Unterstützung. Hilf uns gemeinsam nach einer gleichberechtigten Welt zu streben, in der weibliche Bedürfnisse keine Tabus mehr sind, wertvolle Inhalte geschätzt werden und wir uns solidarisch verbinden. Mehr Infos

bottom of page