REPORTAGE UND FOTOS: KATHARINA CHAVANNE
In einer der schönsten und gleichzeitig unbekanntesten Ecken Frankreichs, wo das Grün der Pyrenäen eindrucksvoll mit dem tiefblauen Meer der Atlantikküste verschmilzt, liegt das französische Baskenland – Le Pays Basque. Unsere Autorin hat diesen Sommer zwei Wochen in dieser faszinierenden und abwechslungsreichen Region verbracht und die Gelegenheit genutzt, sich auf die Suche nach den besten Adressen zu begeben.
Das französische Baskenland ist eine faszinierende Mischung aus Kultur, Tradition und Natur. Hauptstadt und kulturelles Zentrum ist Bayonne (Baiona), während Biarritz (Bild Mitte) als mondäner Badeort international bekannt ist.
Er ist spürbar, der Puls des stolzen baskischen Erbes. Egal, ob in den engen Gassen der Küstenstädte wie Saint-Jean-de-Luz oder Biarritz, oder in den traditionellen Dörfern des Hinterlands, etwa in Sare oder Espelette, das für seinen roten Paprika bekannt ist, der an den Hausfassaden zum Trocknen hängt. Eines sei gesagt: Wer Abwechslung mag, wird diese Region im Südwesten Frankreichs, an der Grenze zu Spanien, lieben.
Die Häuser von Espelette mit an Fassaden hängenden, getrockneten Paprika – ein Wahrzeichen des baskischen Dorfes und Symbol seiner kulinarischen Tradition.
Die charakteristische baskische Architektur mit ihren rot-weißen oder grün-weißen Fachwerkhäusern wird bis heute streng reglementiert und sorgt für das einzigartige Landschaftsbild. Je weiter man ins Landesinnere kommt, desto stärker werden die Traditionen gelebt und umso tiefer dringt man in die baskische Seele ein. Obwohl Französisch die offizielle Sprache ist, wird vielerorts „Euskara“ – Baskisch – gesprochen, die Sprache, die das französische und spanische Baskenland verbindet. Baskisch ist Europas wohl älteste noch lebende Sprache und sorgt bis heute bei Sprachwissenschaftler*innen für Rätsel, da sie keine bekannten Verwandten hat.
„Ein Baske: eine Baskenmütze; zwei Basken: ein Ballspiel; drei Basken: ein Chor“ – baskisches Sprichwort
Im Baskenland treffen gerne Kontraste aufeinander: grüne Berge auf blaues Meer, Traditionen auf Moderne und authentische Landidylle auf pulsierendes Surferleben.
„Eigentlich kann man sagen, dass es zwei Sorten von Baskenland gibt: die Küste und das Hinterland“, weiß auch Lena Baltazard zu berichten. Die Schwedin lebt seit über 40 Jahren in Frankreich, die meiste Zeit davon in Guéthary (baskisch: Getaria) – einst ein kleines Fischerdorf. Das französische Baskenland war bis ins 17. Jahrhundert ein bedeutendes Zentrum des Walfangs, was die maritime Tradition der Region prägte.
In den Häfen an der Küste scheint die Zeit stehen geblieben zu sein.
Regionaler Genuss auf höchstem Niveau
Bis heute spielt die Fischerei eine wichtige wirtschaftliche und kulturelle Rolle, heutzutage jedoch vor allem durch den Fang von Thunfisch und Sardinen, die für die lokale Küche von großer Bedeutung sind. Genießen und gutes Essen haben im Baskenland Tradition. Kaum eine andere Region hat so viele Michelin-Sterne wie das Baskenland. Außerdem sind die Restaurants hier oft erschwinglicher als in anderen Teilen der Welt. Doch egal ob Sterne-Restaurant, kleines Bistro oder Pintxos-Bar, wie man die traditionellen Tapas hier nennt – im Baskenland isst man viel und vor allem gut! Das Geheimnis dahinter? Die sorgfältige Auswahl regionaler Zutaten. Die Liste ist lang: Sie reicht vom berühmten Espelette-Paprika über die Marmelade aus kleinen schwarzen Kirschen aus Itxassou, die traditionell zum Schafskäse gegessen wird, bis hin zu Wurstspezialitäten aus den Aldudes, von Schweinen, die ausschließlich Eicheln fressen, bis hin zur Schokolade aus Bayonne und dem berühmten Gâteau Basque.
Genießen und gutes Essen haben im Baskenland Tradition.
French California
Doch zurück nach Guéthary und zu Lena. Von der Vergangenheit des kleinen Fischerdorfes ist, abgesehen von einem kleinen, pittoresken Hafen, nicht mehr viel zu spüren. In den netten Cafés, Bars und Shops des Dorfes tummeln sich heute schicke Pariser*innen, die in den Monaten Juli und August ihre Sommerhäuser beziehen, sowie eine internationale Surfer-Community. Heuer wurde Guéthary zum lebenswertesten Dorf Frankreichs gewählt – zum Unmut vieler Einheimischer, da dies die bereits exorbitanten Immobilienpreise an der Küste weiter in die Höhe treibt.
Der Ort Guéthary verkörpert den Inbegriff baskischer Lebensart – eine perfekte Mischung aus traditionellem Charme, atemberaubender Küste und internationaler Coolness.
Lena kam schon lange vorher auf den Geschmack und verliebte sich während ihrer Hochzeitsreise regelrecht in diesen Ort. Kurzum beschloss sie, hierherzuziehen und als Keramikerin zu arbeiten. Ihr Atelier, ein Fixpunkt jeder meiner Baskenlandreisen, ist lichtdurchflutet und minimalistisch-skandinavisch – wie auch ihre pastellfarbenen Kreationen. Aus den Lautsprechern ertönt „Tous les garçons et les filles“ von Françoise Hardy, und Lena ist wie immer in ihrem offenen Atelier zu finden. Seit heuer hat sie ihr Büro zu einer kleinen Galerie umgestaltet, in der sie von ihr kuratierte Künstlerinnen ausstellt.
Lena in ihrem Atelier
Sieben Provinzen, zwei Nationen
Inspiration holt sie sich vor allem am Meer und dem Farbenspiel der Lichter. „Die zarten Farben, die jeden Tag anders sind, oder die Streifen des Baskenlandes haben mich zu meinen Kollektionen inspiriert.“ Jeder Streifen steht übrigens für eine der sieben Provinzen, die sich über Frankreich und Spanien erstrecken. Auf die Frage, wo ihre Lieblingsadressen im Baskenland sind, lacht sie verschmitzt und sagt: „Eigentlich verlasse ich von Juni bis September Guéthary überhaupt nicht. Hier gibt es einfach alles, was ich brauche! Zum Sonnenaufgang spaziere ich ans Meer – und das jeden Tag. Es ist einfach zu jeder Jahreszeit ‚merveilleux‘, und ich bade fast immer – ich bade ja auch in Schweden, da braucht es viel mehr Überwindung.“ Zum Abschied plaudern wir noch ein bisschen, bevor ich zu meinem Lieblingsaussichtspunkt zurückgehe, noch einmal den Blick über den Ozean schweifen lasse, den Wellenreiter*innen dabei zuschaue, wie sie auf die perfekte Welle warten, und mich dabei ertappe, wie ich mich vom Sommer verabschiede… À l’année prochaine!
10 Dinge, die man im Baskenland nicht verpassen sollte:
1) EIN AUSFLUG AUF „LA RHUNE“
Der 900 Meter hohe Berg ist ein beliebtes Ausflugsziel für Wanderer. Im Baskenland ist es üblich, zu Fuß auf La Rhune zu steigen. Dazu braucht man je nach Tempo ein bis zwei Stunden. Für jene, die nicht gehen wollen, gibt es den berühmten „Petit Train de la Rhune“. Die kleine Zahnradbahn aus dem Jahr 1924 fährt von April bis September in nur 35 Minuten auf den Gipfel. Oben bietet sich, umgeben von Pottok-Poneys, baskischen Wildpferden, ein atemberaubendes Panorama über Berg und Meer.
2) DAS HINTERLAND BESUCHEN: SARE
Dieses kleine Dorf mit Bergdorfcharakter, übrigens eines der schönsten Frankreichs, liegt abseits des Trubels ca. 20 Minuten von der Küste entfernt. Ein beliebtes Ausflugsziel sind die Grotten von Sare. Hier kann man eintauchen in die beeindruckende, mystische Welt des Baskenlands.
Mein Geheimtipp für die Stärkung danach: Das „Mimosa“, ein charmantes Bistro unter Platanen am Hauptplatz. Die beiden Besitzer haben bei niemand Geringerem als Guy Savoy gelernt. Egal, ob ein hausgemachter Sangria, ein paar Tapas zum Apéro oder ein haubenverdächtiges Menü zum Abendessen – ein Stopp in diesem Lokal ist für alle Freunde der Bistronomie ein Muss.
Wer’s ein bisschen rustikaler bevorzugt, sollte einen Besuch in der Benta Urtxola einplanen. Hier führen zwei Schwestern ein authentisches Gasthaus mitten im Wald – während die eine Schwester die Gäste bewirtet, führt die andere Schwester im Untergeschoss einen Concept Store mit ausgewählten feinen Dingen, viele davon von Kreativen aus der Umgebung.
3) SHOPPING UND TAPAS IN GUÉTHARY
Das hippe Dorf an der Küste bietet alles, was das Herz begehrt: nette Lokale, tolle Geschäfte und einen der besten Spots, um direkt am Wasser köstliche, lokale Tapas zu essen und dabei vielleicht ein paar Surfer*innen beim Wellenreiten zu beobachten. Wer lieber Lust auf ein richtiges Restaurant hat, dem empfehle ich „Le Poinçon“ – das wohl beste Bahnhofslokal der Welt. Hier zaubert der Chef kreative Gerichte und zelebriert saisonale und regionale Zutaten.
4) BEIM STADTBUMMEL SPEZIALITÄTEN VERKOSTEN
Bayonne gilt als die Geburtsstadt der Schokoladenherstellung in Frankreich. Die Geschichte reicht bis ins 17. Jahrhundert zurück. Hier hat uns Lena ihre Lieblingsadresse verraten: das Café Cazenave. Die Spezialität des Hauses ist eine handgerührte heiße Schokolade.
Auch Saint-Jean-de-Luz hat zwei Adressen für Naschkatzen: Ein Klassiker sind die Macarons der Maison Adam und ein Gâteau Basque bei PARIES.
5) TORO DEL FUEGO UND EIN BESUCH IN SAINT-JEAN-DE-LUZ
Feste und das Baskenland gehören zusammen wie der Wind und das Meer. Von der Fête de Bayonne bis hin zu Pamplona – Feste werden hier gefeiert, wie sie fallen. Und wenn hier gefeiert wird, sind die Städte in Ausnahmezustand. In der pittoresken Hafenstadt Saint-Jean-de-Luz, die einst Kulisse der Hochzeit von Louis XIV., dem Sonnenkönig, und der spanischen Infantin Marie Therese d'Autriche, findet in den Sommermonaten zweimal wöchentlich der „Toro del Fuego“ – eine Parodie auf eine Corrida (Stierkampf) statt: gestartet wird mit einer riesigen Konfettischlacht begleitet von traditioneller baskischer Musik. Der Höhepunkt ist der feuerwerksspeiende Holz-Toro, der nach Einbruch der Dunkelheit durch die Menge getragen wird – ein absolutes Spektakel, nicht nur für Kinder.
Tipp: Der beste Spot, um dieses bunte Treiben zu beobachten, ist die Terrasse der Tapas-Bar „Le P'tit Suisse“, am Place Louis XIV.
6) EIN AUSFLUG INS SPANISCHE BASKENLAND UND EIN BESUCH IM BALENCIAGA MUSEUM
Wer Lust auf spanisches Flair hat, kann einen Tagesausflug ins spanische Baskenland einplanen. San Sebastián oder der malerische Ort Getaria sind immer eine Reise wert. In der Geburtsstadt des berühmten Modedesigners Cristóbal Balenciaga wurde hier ein Museum zu seinen Ehren errichtet. Die moderne Architektur, die mit dem Geburtshaus verschmilzt, ist mindestens genauso eindrucksvoll wie die umwerfend minimalistisch-eleganten Kreationen dieses avantgardistischen Modeschöpfers.
7) SURFER*INNEN AM STRAND VON BIARRITZ BEOBACHTEN
Der Surfboom in Biarritz wurde in den späten 50er-Jahren durch den amerikanischen Drehbuchautor Peter Viertel ausgelöst. Während der Dreharbeiten für den Hollywood-Film „The Sun Also Rises“ (1957), der Verfilmung von Ernest Hemingways Roman „Fiesta“, ließ er sich Surfbretter aus Kalifornien schicken und führte den Sport in der Region ein. Seither ist der zuvor stets von europäischen Adeligen frequentierte Ort zum europäischen Mekka für Surfer*innen geworden. Hier trifft mondäner Schick auf internationale Coolness.
8) EIN SPA-BESUCH BEI ALAENA
Du magst mal so richtig abschalten? Dann ist dieses Spa eine große Empfehlung. Hier hat man sich der Schönheit verschrieben und sogar eine eigene Bio-Kosmetik entwickelt. Im wunderschönen Spa kann man sich mit den hauseigenen Produkten verwöhnen lassen.
9) EINE NACHT WIE IM TRAUM
Es gibt Orte, die etwas Magisches ausstrahlen. Einer davon sind die alten Gemäuer der Villa Magnan. Einst im Besitz der spanischen Königsfamilie, ist hier eines der einzigartigsten „Guesthouses“ des Baskenlandes entstanden. Nach fast achtzig Jahren Dornröschenschlaf haben Anne Israel und ihr Mann Jérôme, leidenschaftliche Kunst- und Architekturliebhaber*innen, es wieder behutsam zum Leben erweckt. Das Paar hat hier sechs charmante, komfortable Zimmer eingerichtet, die mit Designelementen und sorgfältig ausgewählten Vintage-Stücken dekoriert sind. Gefrühstückt wird gemeinsam an einem Tisch und mittlerweile gibt es auch ein Restaurant.
Für all jene, die nicht so viel ausgeben wollen, gibt es eine neue Hotelkette „ALFRED“, die erst kürzlich zwei Hotels hier eröffnet hat und kleine, aber feine Zimmer anbietet.
10) EIN TYPISCHES SOUVENIR KAUFEN
Ich liebe es, von meinen Reisen Souvenirs mitzunehmen – Souvenirs, die die Traditionen des Landes stilvoll einfangen. An traditionellem Kunsthandwerk gibt es im Baskenland jede Menge. Sei es hier gewebte Strandtücher von Jean Vier oder die stilvolle Keramik aus der Poterie de Guéthary: diese kleinen Kaffeetassen versetzen mich jeden Morgen beim ersten Schluck zurück an diesen einzigartigen Ort mit Blick übers weite Meer.
FACTBOX
Politische Fakten
Wenn man an das Baskenland denkt, haben viele noch die ETA und deren Anschläge im Hinterkopf. Die terroristische Organisation kämpfte brutal in den vergangenen Jahrzehnten für die Unabhängigkeit des Baskenlandes. Auch wenn das französische Baskenland weitgehend von den Anschlägen verschont blieb, merkt man noch heute, nicht nur an den durchgestrichenen französischen Ortsnamen, die sich mehren je tiefer man ins Landesinnere dringt, dass das Streben nach nationaler Selbstbestimmung weiterhin ein wichtiges Thema in der politischen Landschaft ist.
Unsere Autorin
Katharina Chavanne begann nach einem Journalismusstudium in Wien als freie Mitarbeiterin beim ORF-Kulturradio Ö1. Frankophil seit Kindheitstagen verschlägt es sie 2009 nach Paris und in die PR. Als Expertin für den deutschsprachigen Raum betreut sie internationale Kunden in Green Beauty, Mode, Tourismus und Lifestyle. 2015 kehrt sie zurück nach Wien und gründet ihre eigene Kommunikationsagentur. Seit 2020 betreibt sie zudem den Blog PARVIE, der conscious Lifestyle, spannende Brands, Gründer*innen und die besten Adressen mit dem besonderen Etwas zwischen Paris und Wien aufspürt.
Comments